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Angst geht um im Pfälzer Wald

BürgerInnen befürchten, daß das US-Giftgas, das zum größten Teil in der Pfalz gelagert ist, übereilt und leichtsinnig abgezogen wird / Erste Vorbereitungen im mutmaßlichen Giftgaslager Clausen laufen / Bürgerappell hofft auf gemeinsame Initiative im Mainzer Landtag  ■  Aus Clausen J.Weidemann

Schräge, stämmige Stahlboller versperren die Tore des US -Sonderdepots Clausen. „Sonderdepot“ heißt im US -Militärjargon: Hier liegen entweder atomare oder seetaktische Waffen - oder Giftgas. Ersteres macht kaum Sinn. Letzteres klingt wahrscheinlich, wird offiziell aber weder bestätigt, noch dementiert.

Das Clausener US-Depot liegt, martialisch bewacht, mitten im Wald. Ringsherum schütteten die US-Truppen hinter einem Hasenzaun Kies auf. Wer ihn betritt, löst Alarm aus. Es wimmelt von Geräuschdetektoren. Keiner könnte sich unbemerkt annähern. Und selbst wenn: Rund um das Depot verwehren zwei hohe Zäune mit verzinktem Stacheldraht den Zutritt. Zwischen den Zäunen patrouilliert ein US-Soldat. Er dreht seine Runden im Roboter-Gleichschritt, beladen mit schwerem Sturmgepäck. Schilder warnen vor „Militärhunden“, die das Gelände bewachen. Hier und da sind auf den 15 Bunkern Sandsäcke aufgestapelt - um Maschinengewehre abzudecken. Gerhardt Schmidt, SPD-Landtagsabgeordneter aus Kaiserslautern ist sich sicher: Nirgendwo sonst in Pfalz gibt solch hohe Sicherheitsvorkehrungen. Für Schmidt ein weiteres Indiz dafür: In Clausen lagern C-Waffen.

In Clausen wie in der gesamten Region Pirmasens macht sich Unruhe breit. Zwar soll das US-Giftgas noch 1990 aus der Pfalz verschwinden. Doch keiner weiß, wann genau und wie. Die Desinformation trifft auch die Einsatzkräfte, die beim Abzug helfen sollen. Gerhardt Schmidt kann nicht verstehen, wie bei einer solchen Geheimniskrämerei jemals „das Ineinandergreifen militärischer und ziviler Einheiten klappen“ könnte.

Klaus-Dieter Uelhoff, CDU-Abgeordneter in Bonn, drängt auf eine sofortige und „offensivere Darstellung“ der Abzugspläne. Sonst werde nur noch mehr die Angst geschürt. Und der „Abrüstungserfolg Helmut Kohls“ komme gar nicht mehr zur Geltung. In seiner Partei finde er Zustimmung, meint Aufklärer Uelhoff. Bei der Bundesregierung und Kohl allerdings stößt der CDU-Mann auf taube Ohren.

Der Unmut in der Pfalz hat seine Gründe. Die PfälzerInnen fürchten, der Abzug, der ursprünglich erst bis 1992 geplant war, werde nun überstürzt durchgezogen. Die US-Truppen, gibt der Pfälzer CDU-Landtagsabgeordnete Jürgen Kroh zu bedenken, stünden ja leider im Ruf, Militärtransporte zu lax zu handhaben. Zu deutlich erinnern sich die PfälzerInnen noch an Pershing-Schlepper, die im Straßengraben lagen. Verhängnisvoll, wenn dies mit C-Waffen passiert.

In einem Bericht der Washington Post vom Oktober 1989 warnen US-Diplomaten und Militärs vor dem „bedeutenden Risiko“ eines „vorzeitigen Abzugs“ bis Ende 1990 statt 1992. Die US-Diplomaten sahen darin einen Gefallen für Bundeskanzler Kohl, dem im Dezember „schwere Wahlen“ bevorstünden. Doch fraglich scheint, ob aus dem Wahlgeschenk an Kohl was wird.

Denn aus dem Etatbericht des US-Kongresses vom November 1989 geht hervor, daß die USA bei der C-Waffen-Vernichtung mit „technischen Problemen“ zu kämpfen haben.

Der Bau der Giftgasanlage auf dem Johnston-Atoll (Jacads), wohin auch die C-Waffen aus der Pfalz gebracht werden sollen, ist in Verzug geraten. Der US-Kongreß bemängelte an Jacads, daß dort bisher noch keinerlei Tests zur Beseitigung der „in Europa“ gelagerten C-Waffen durchgeführt wurden. Außerdem gebe es auf dem Atoll noch „keine sichere Lagerkapazitäten“. Solange derartige Vorkehrungen aber nicht getroffen seien, so monierte der Kongreß, „darf keinerlei Munition aus gegenwärtigen Depots entfernt werden“. Auch nicht aus Lagern in der Bundesrepublik. Die Bonner US -Botschaft wollte sich gestern dazu gegenüber der taz nicht äußern.

In Clausen gehen derweil erste Bauarbeiten vonstatten: Zwischen den Bunkern wurde eine größere Fläche asphaltiert. Rundherum stehen Holzmasten - angeblich Blitzableiter.

Doch braucht man die in solcher Menge, noch dazu mitten im Wald? Horst Kowarek vom „Pfälzer Bürgerappell gegen Giftgas“ meint: nein. An den Masten, sagt er, ließen sich auch ein Sichtschutz sowie Scheinwerfer montieren. Somit könnte das in den Bunkern vermutete Giftgas auch nachts verladen werden. Unbemerkt von den „Spähern“ der BI, die das Depot tagsüber observieren. Hannelore Höbel vom Bürgerappell gelang es nun erstmals, die vier Landtagsparteien an einen Tisch zu bringen, um ihre Sorgen vorzutragen. Sie hofft auf eine gemeinsame Resolution des Mainzer Landtags zum Abzug der C-Waffen, ähnlich der gegen Tiefflüge. Die 17.000 Unterschriften, die der Bürgerappell gesammelt hat, sollen dem Begehren Nachdruck verleihen.

In Mainz und Bonn will Hannelore Höbel die Listen an „wichtige Politiker“ überreichen. Die Mainzer Staatskanzlei empfängt sie. Doch im Bonner Bundeskanzleramt winkt man ab: Der Anlaß sei zu nichtig. Und das Städtchen Clausen liegt weit, weit weg.

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