Besser eine Polizei mit Streikrecht...

■ Beamtenstatus für die Volkspolizisten / Heute demonstrieren in Ost-Berlin die Vopos / Interview mit dem amtierenden Vorsitzenden der „Gewerkschaft der Volkspolizei“, Guido Grützemann, über die alten und neuen Probleme seiner Kollegen

Heute demonstrieren in der DDR und in Ost-Berlin erstmals die Volkspolizisten. Die taz fragte den amtierenden Vorsitzenden der neugegründeten „Gewerkschaft der Volkspolizei“, Guido Grützemann, was seine Kollegen fordern. Grützemann ist 25 Jahre alt, Vopo im Revier 13 und PDS -Mitglied.

taz: Was fordert die „Gewerkschaft der Volkspolizei“?

Guido Grützemann: Wir wollen für unsere Angestellten Tarifverträge, die unsere Existenz sichern. Bei Strukturveränderungen, die sicherlich ins Haus stehen, wollen wir soziale Härten mildern.

Sie wollen, daß auch DDR-Polizisten Beamtenstatus bekommen?

Das ist eine Forderung der Basis. Wir haben uns im Vorstand aber darüber verständigt, daß ein Übernehmen des Beamtenstatus der BRD nicht vorteilhaft wäre. Die Beamten dürfen nicht streiken und sind nicht tariffähig. Wir wollen die Beamten von vornherein tariffähig machen. Neues sollten wir gleich beachten, dann müssen wir nachher nicht darum kämpfen.

Bisher braucht man in der DDR eine Berufsausbildung in einem anderen Beruf, um Polizist werden zu können. Ist diese Regelung besser als ein Beamtenstatus?

Ich halte die Idee für gut. Jetzt zum Beispiel bei den Strukturveränderungen - es ist ja kein Geheimnis, daß dann Leute freigesetzt werden. Da brauchen wir nicht so große Angst haben, weil die Leute einen Beruf haben und zur Not in diesem arbeiten können. Es zeigt sich aber, daß das derzeitige halbe Jahr Ausbildung zum Polizisten und ein halbes Jahr Praktikum nicht ausreichend sind, um einen richtigen Schutzmann daraus zu machen.

In einem „GdVP„-Flugblatt stand, Sie wollen den Polizeiapparat demokratisieren. Wie soll das gehen?

Wir wollen starke Gewerkschaften mit den Rechten von Betriebsräten oder Personalvertretungen. Unser Minister erkennt unsere Gewerkschaft seit letzten Freitag als Tarifpartner an. Wir haben uns bei Entscheidungen, die die Dienst-, Arbeits- und Lebensbedingungen betreffen, ein Vetorecht gesichert. Wir wollen Transparenz im „Ministerium für Innere Angelegenheiten“ (MfIA) und setzen uns für „Demokratie von unten“ ein: Daß der Wachtmeister weiß, wie sein General oben im Ministerium arbeitet. Und daß der Wachtmeister ihm Hinweise geben kann, über die direkte Linie der Gewerkschaft zum Beispiel. Das Volkspolizei-Gesetz ist auch eine wichtige Sache, wir wollen in die Gesetzgebungskommission zwei Mitglieder reinkriegen.

Wer gehört zum „MfIA“?

Wir haben drei große Organe: die Volkspolizei, die Feuerwehr und den Strafvollzug. Die Volkspolizei untergliedert sich in die Schutz-, Kriminal-, Betriebs- und Transportpolizei.

Wieviele Mitarbeiter hat das „MfIA“?

Das ist ein Geheimnis. Aber ich schätze in der DDR um die 150.000.

Sie wollen die Vorfälle vom 7./8.Oktober letzten Jahres aufklären. Haben Sie schon erste Ergebnisse?

Wir haben Leute in der Kommission, die sich damit beschäftigt. Einen Vertreter konnten wir sogar in die Kommission zu Amtsmißbrauch und Korruption beim Minister entsenden. Der hat übrigens auch Erich Honecker in der Charite verhaftet.

Was wollen Sie denn mit denjenigen machen, die am 7./8.Oktober zugeschlagen haben?

Wenn gesetzwidrige Handlungen vorliegen, sind wir dafür, daß die Leute zur Verantwortung gezogen werden.

Nach welchen Gesetzen?

Nach dem geltenden Strafgesetzbuch. Ich bin aber nicht dafür, daß der Schutzmann, der jemanden zugeführt hat, aber den Befehl von seinem Offizier bekommen hat, deswegen zur Verantwortung gezogen wird - nur weil der Zugeführte unterwegs hingeflogen ist. Da muß ich den finden, der den Befehl gegeben hat.

Wie wollen Sie eine Wiederholung verhindern?

Vor Einsätzen muß Transparenz da sein. Im nachhinein muß man den Chef oder Leiter kritisieren dürfen.

War das bisher nicht möglich?

Doch. Aber es wurde nicht gemacht, aus Angst vor Sanktionen. Im Pausengspräch bei 'ner Zigarette wurde alles erzählt. In Parteiversammlungen konnte man seine Meinung auch nicht klar sagen.

Was wurde in den Pausen erzählt?

Nach der Kommunalwahl ging es langsam los. Da haben wir gemerkt, hier ist irgendwas faul. Da wurden Leute immer am 7. des Monats eingesetzt, war ja hier in Berlin Pfeifkonzert. Das wurde von Monat zu Monat schlimmer. Man hat dann gemerkt, hier wird versucht, mit allen Mitteln was zu halten. Oder zu jeder kleinen Sache, wenn in der Gethsemane-Kirche oder Mariannenkirche ein Gottesdienst abgehalten wurde, wurden Sonderschichten gefahren, das war nicht mehr normal. Man hat doch gemerkt, das ist nicht die Konterrevolution.

Hatten Sie auch Schwierigkeiten?

Ich habe mich in 'ner Parteiversammlung gegen das 'Sputnik‘ -Verbot aufgelehnt. Das war die russische Zeitung, die im Herbst 88 verboten wurde, weil sie Glasnost und Perestroika offensiv vertreten hat. Ich war dagegen, auch wenn ich in der Partei war. Es wäre vermessen zu sagen, daß meine Ablehnung zum Studium an der Polizeihochschule aus politischen Gründen erfolgte. Aber jetzt, nach der Wende, darf ich studieren. Und was in der Kaderakte stand, darüber war man nicht informiert. Jetzt darf jeder seine Akte einsehen. Wenn man in der Pause Rias 2 hörte oder zu Hause West-Fernsehen geguckt hatte, wurde immer ein Riesenblatt geschrieben. Das fliegt jetzt raus. Da haben wir schon was erreicht.

Haben Sie Kontakte zur BRD-„GdP“?

Wir wollen Fachberatungen abhalten. Die „GdP“ gibt uns auch materielle und finanzielle Hilfe. Wir sind noch eine ganz junge Gewerkschaft, die vom Flaschenpfand lebt. Zum Beispiel die Büroeinrichtung hier haben wir vom Minister auf Leihbasis bekommen.

Welche Probleme ergeben sich durch die Übernahme ehemaliger Stasi-Aufgaben für die Polizei?

Ich nenne nur mal den Personenschutz - da haben wir keine Vorstellungen gehabt, was alles dazu gehört. Wir haben dafür gar keine ausgebildeten Leute. Darum bin auch dafür, ehemalige Leute aus dem Ministerium für Staatssicherheit zu übernehmen - wenn die sich nachweislich nicht damit beschäftigt haben, irgendwelche Leute auszuhorchen. Der Personenschutz könnte zum Beispiel als Spezialtruppe übernommen werden. Da gibt's auch eine Gruppe Munitionsbergungsdienst. Das sind Spezialisten, die brauchen wir. Das waren ja nicht alles Schweine.

Bombendrohungen fielen bisher auch in den Bereich der Stasi. Jetzt nehmen sie rapide zu. Hat die Polizei Ermittlungserfolge vorzuweisen?

DDR-weit sind in den letzten Tagen drei Täter festgestellt worden. Die haben Bombendrohungen aus den unmöglichsten Gründen heraus gemacht. Der eine wollte einen freien Tag in seiner Firma haben. Die anderen waren Schüler, die wollten sich ihren Mut beweisen. In Dessau wurden vor kurzem Gemälde gestohlen im Gesamtwert von 20 bis 30 Millionen D-Mark. Das waren zwei Westberliner. Da kann man sehen, daß die grenzüberschreitende Kriminalität zunimmt. Wir müssen unbedingt, nicht nur auf Polizeipräsidenten- und Minister -Ebene, sondern auch zwischen benachbarten Bezirken und Revieren, zusammenarbeiten. Aber die dienstliche Kontaktaufnahme ist bei Ihnen viel genehmigungspflichtiger als bei uns. Das ist im Prinzip Unsinn.

Mit dem „GdVP„-Vorsitzenden sprach Dirk Wildt