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Haste mal 'ne Kippe?

■ DDR bleibt hart: Deponie Vorketzin ab Freitag für Giftmüll dicht / Umweltsenatorin ruft Notstand aus - und sucht verzweifelt neue Kippen

Es bleibt dabei: Morgen werden die letzten Westberliner Sondermülltransporter ihre giftige Fracht auf der undichten DDR-Deponie Vorketzin abladen. DDR-Umweltminister Diederich (Bauernpartei) blieb gestern bei seinem am Montag überraschend verhängten Ultimatum. AL-Umweltsenatorin Michaele Schreyer war gestern extra nach Ost-Berlin gefahren, um ihren Amtskollegen umzustimmen, brachte aber nicht einmal Alternativangebote Diederichs mit zurück. Senatorin Schreyer rief daraufhin gestern den Sondermüllnotstand aus. Es sei nun nicht mehr auszuschließen, daß Westberliner Betriebe die Produktion einschränken oder einstellen müßten.

Ursprünglich hatte Diederich eine Frist bis zum 31. März eingeräumt. Selbst diese Zeitspanne bezeichnete Schreyer gestern als „äußerst knapp“. Für die 100 bis 120 Tonnen Giftmüll, die die BSR täglich einsammelt, gibt es nun schon ab Freitag keine Entsorgungsmöglichkeit mehr.

In der Senatsumweltverwaltung war zwar gestern erneut von „erfolgversprechenden Gesprächen“ mit Betreibern von Deponien und Behandlungsanlagen in Westdeutschland die Rede; diese seit einigen Wochen laufenden Verhandlungen hätten aber noch zu keinen konkreten Vereinbarungen geführt, räumte Schreyer ein. Lediglich eine Raffinerie im niedersächsischen Dollbergen ist fest bereit, einige Flüssigabfälle aufzunehmen. Schreyer warnte die Industrie gestern trotzdem davor, auf eigene Faust unseriöse Abfallentsorger zu engagieren. Die Schäden wären unabsehbar, sollten die Unternehmer ihre Abfälle jetzt illegal in die Gewässer kippen.

Jetzt beginne eine „hektische Suche“ nach einem provisorischen Zwischenlager, meinte die Umweltsenatorin. Wie berichtet, ist das ohnehin verseuchte ehemalige Gelände der Kupferraffinerie in der Reinickendorfer Flottenstraße im Gespräch. BSR-Chef Fischer hatte gestern außerdem ein Angebot der privaten Müllfirma Alba in der Tasche, die bereit wäre, 1.000 Tonnen unterzustellen. Diese Halle wäre aber schon nach zwei Wochen voll, schätzte Fischer. Industriebetriebe, die über eigene Lagerkapazitäten verfügen, könnten vielleicht noch eine weitere Woche durchhalten. „Dann“, so Fischer, „machen auch die den Laden dicht.“

Die SPD-Abgeordnete Käthe Zillbach mahnte gestern an Diederichs Adresse „Zuverlässigkeit und Vertragstreue“ an. Auch „in der Phase des DDR-Wahlkampfes“ dürfe die grenzüberschreitende Politik „nicht parteitaktischen Überlegungen untergeordnet werden“. Kritik an der eigenen Umweltsenatorin äußerte dagegen die AL-Fraktion. Es sei falsch, die Vertragstreue der DDR anzumahnen, meinte der Abgeordnete Bernd Köppl gegenüber der taz.

Ein Vertrag, der die DDR verpflichte, in Vorketzin weiterhin Giftmüll anzunehmen, sei „ökologisch unsittlich“. Die betroffenen AnwohnerInnen und die Potsdamer Bezirksbehörden verlangen seit Monaten den Stopp der Giftmülltransporte aus dem Westen. Wie mehrfach berichtet, mußten in der Nähe der Deponie bereits acht Trinkwasserbrunnen wegen Verseuchung geschlossen werden. Auch ein Wasserwerk ist bedroht. Hausmüll - pro Jahr 400.000 Tonnen - darf West-Berlin vorerst weiterhin in Vorketzin abladen.

hmt

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