: Wo bitteschön liegt Torshavn?
■ Atlantic Rhapsody von Katrin Ottarsdottier im Forum des jungen Films
Sandkörner auf dem Boden eines Tanzsaales“, nennt der Dichter William Heinesen seine Heimat. Was, den kennen Sie nicht und die Krümel, von denen er spricht, auch nicht? Dann nehmen sie am besten einen Atlas und eine Lupe zur Hand. Mitten im Atlantik, zwischen Island, Schottland und Norwegen finden sich bei genauem Hinsehen 18 kleine Inseln, die Färöer, mit 1400 qkm eine der kleinsten Nationen der Welt. Man spricht Färöisch, hat eine eigene Währung, eigene Briefmarken, und seit neusten auch ein eigenes Filmfestival.
Oder man schaut sich Katrin Ottarsdottirs Film an. Sie ist die erste und einzige Regisseurin dieses Inselreiches. Ihren ersten Spielfilm hat sie der Färöer Hafenstadt Torshavn gewidmet. In 52 lose verknüpften Episoden beschreibt sie den Inselalltag. Kleine Begebenheiten, Belanglosigkeiten und Träume der Färöer. Der Morgen beginnt mit einem Brand im Hafen, der stadtbekannte Existenzialist rezitiert zu den Klängen von Velvet Underground obzöne Liebesgedichte, ein Polizist spinnt sich eine späktakuläre Verfolgungsszene nach amerikanischen Krimivorbild zurecht, Kinder spielen im Sandkasten Beerdigung. Nichts ist wichtig, alles wird mit distanzierter Beiläufigkeit erzählt.
Die Episoden erinnern an die Bilder des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki. Wahrscheinlich sorgt das kühle nordische Temperament für eine Art Seelenverwandtschaft. Doch Ottarsdottirs Frauenhand hat den Film weicher, verspielter und phantastischer gestaltet. Dazu kommt die dänische Reinlichkeit, die Atlantic Rhapsody im Vergleich zu Kaurismäkis Schmuddelkino sauber und ordentlich wirken läßt. Alle DarstellerInnen sind Laien, gesprochen wird natürlich Färöisch. Das ungeübte Ohr mag dabei zunächst keinen Unterschied zum Dänischen zu erkennen, doch am Ende wissen wir, daß die Dänen ganz anders sind. Geschwätzig, eingebildet und von den Färöern wenig geschätzt. Da ist ihnen Frankreich schon näher. „Wir sind der Norden von Paris“, verkündet eine Boutique-Besitzerin und der junge Franzose fühlt sich auf den Färöer Inseln zu Hause, die seine Mutter auf dem Atlas nicht finden kann.
Ute Thon
Atlantic Rhapsody von Katrin Ottarsdottir. Mit Erling Eysturoy, Elin Karbech Mouritsen sowie 101 anderen Darstellern. 80 Minuten
14.2., Akademie der Künste 17 Uhr
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