: Blickt die Wartburg auf ein neues Auto aus dem Westen?
Die Wende in Eisenach: Dem alles dominierenden, sich halbgottähnlich aufführenden Automobilwerk AWE weht in der Kleinstadt erstmals Gegenwind ins Gesicht / Jetzt geben sich in dem Werk, in dem der „Wartburg“ montiert wird, westdeutsche Automanager die Klinke in die Hand ■ Aus Eisenach Erwin Single
In der Thüringer Kleinstadt Eisenach, wenige Autominuten hinter dem Grenzübergang Herleshausen gelegen, füllen sich jeden Montagabend der Marktplatz und die Kirche mit einigen hundert Menschen. Trotz frostiger Temperaturen strömen sie zusammen, um sich nach Dresdner Vorbild bei Montagsgebet und anschließender Demonstration in Sachen Demokratie zu üben.
Während aus scheppernden Lautsprechern die Berichte von Runden Tischen und Bürgerkomitees aus dem Innern der Kirche zu hören sind, wird bei Glühwein und Thüringer Bratwurst heftig über die neuesten lokalen und nationalen Ereignisse diskutiert. Das Mißtrauen gegen die alten Strukturen sitzt tief. Die alles bestimmende Frage aber lautet: Wie geht es für uns weiter? Unter dem drückenden Gestank der Braunkohlefeuerung will keine richtige Hoffnung aufkommen. „Wir haben ganz andere Sorgen“, meint ein Eisenacher Bürger, „uns droht doch der Kollaps.“
Knapp 50.000 Menschen leben in Eisenach, der Stadt der sieben Hügel. Auf einem thront die Wartburg, jene stolze Festung, in der einst Martin Luther Unterschlupf fand. Und das alte Bergschloß gibt auch den Namen her für das Produkt, das der Stadt Eisenach seit Jahr und Tag ihren Stempel aufdrückt: den „Wartburg“, der seit 1955 beim Eisenacher Automobilwerk (AWE) vom Band läuft. Das zum volkseigenen IFA -Kombinat (Industrieverband volkseigener Betriebe Fahrzeugbau) Personenkraftwagen gehörende AWE ist mit rund 9.500 Beschäftigten der einzige und alles dominierende Großbetrieb der Stadt.
Wie ein Krake hat
sich das Werk ausgebreitet
Ohne das AWE geht in Eisenach nichts. Selbst für Eisenachs Bürgermeister Klappczynski ist das Werk ein „Krake“, der sich in der ganzen Stadt ausbreitet. Der LDPD-Bürgermeister mag sich dabei zu gut an jene Zeiten erinnern, als er mit anderen Stadtvätern von den SED-Direktoren regelmäßig ins Werk zitiert wurde. Das Direktorium hatte auch die gesamte SED-Kreisleitung hinter sich. Jahrzehntelang hat das Werk so die Struktur der Stadt einseitig beeinflußt: Die gesamte Infrastruktur wurde auf das AWE zugeschneidert, alle vorhandenen Arbeitskräfte mit für DDR-Verhältnisse recht passablen Löhnen ins Werk geholt. Daneben konnte hier so gut wie nichts auf die Beine kommen. Das Handwerk ist ebenso ausgeblutet wie es auch an Dienstleistungsbetrieben fehlt. Wie ein „Halbgott“ habe sich das Automobilwerk gebärdet, sagen viele in Eisenach.
Doch seit den Entwicklungen im November ist damit zunächst einmal Schluß. Daß im AWE alles so bleibt, wie es war, glaubt heute in Eisenach niemand mehr. Die Wende hat nicht nur offenbart, daß die Zeit stalinistischer Planungsmanie zu Ende geht, sondern auch die Einsicht gebracht, daß sich so nicht weiter wirtschaften läßt. Und mit der Wende haben die Beschäftigten die Hoffnung geschöpft, daß ein finanzkräftiger Investor aus dem Westen den maroden volkseigenen Betrieb wieder in Schwung bringt.
„Hier muß sich etwas ändern“, meint der Kollege Fischer, zuständig für die Überwachung der Produktion beim Rundgang durch das Werk, „der Staat muß für den Automobilbau in der DDR grünes Licht geben und das Geld bereitstellen, sonst bricht hier alles in sich zusammen“. Dabei hat der Automobilbau in Eisenach Tradition: Seit 1896 werden hier Fahrzeuge gebaut. Anfang des Jahrhunderts liefen die legendären „Dixies“ durch das große Backsteintor; nach dem Verkauf der Eisenacher Fahrzeugfabrik im Jahre 1928 waren es dann BMW-Limousinen. Vom einstigen Glanz ist nicht viel geblieben. Seit 25 Jahren, anläßlich des 20. SED -Gründungstags, baut das AWE den Wartburg Typ 353 - beinahe ohne jede Veränderung. Als 1987 ein in Lizenz gefertigter VW -Motor den stinkenden Trabi-Zweitakter ablöste, wurde dies im Werk als eine technische Revolution gefeiert. Die AWE -Konstrukteure hatten zwar moderne Autos entwickelt, gebaut wurden sie aber nie.
In Handarbeit zusammengeschweißt
„Hier könnt ihr mal sehen, wie ein Oldtimer gebaut wird“, ruft ein älterer Kollege zu. Nicht nur das Auto selbst, auch die Produktion ist mit einem in den 50er Jahren stehengebliebenen BRD-Niveau vergleichbar. Die Blechteile der Karosserie werden hier in Handarbeit zu Baugruppen zusammengeschweißt und montiert. Auch der Transport der Teile ist nicht automatisiert. Die Produktionsgrundarbeiter, wie die unmittelbar in der Produktion eingesetzten Beschäftigten in der DDR bezeichnet werden, schieben die Teile auf Karren hin und her.
Die Arbeitsbedingungen sind teilweise abenteuerlich. Sicherheitseinrichtungen fehlen weitgehend. Geschliffen wird ohne Schutzbrille. Gegen den Höllenlärm haben sich manche wenigstens Watte in die Ohren gestopft.
Seit Jahren herrscht Arbeitskräftemangel im Betrieb. Vor fünf Jahren wurde in der gesamten DDR von der FDJ für Personal geworben. Einstweilen greift man auf ausländische Arbeitskräfte zurück. Zunächst waren es Kubaner; jetzt arbeiten rund 500 Mosambikaner bei AWE. Doch die sind weder bei ihren deutschen KollegInnen noch in der Stadt sonderlich beliebt. Ausländerfeindliche Stimmung schlägt hoch. In fast allen Gaststätten haben die schwarzen Arbeiter Lokalverbot, die Betreiber befürchten Schlägereien. Quasi ghettoisiert, müssen sie in zwei Wohnsilos am Stadtrand leben. Und wenn einmal Arbeitsplätze zur Disposition stehen, sind sie die ersten, die abgeschoben werden.
Noch ist es nicht soweit. Der Personalmangel hat sich seit letzten Sommer noch zugespitzt, weil meist jüngere KollegInnen zuhauf in die BRD wegliefen. Wie viele es sind, kann niemand genau sagen. Täglich gehen weitere weg, um in den Automobilzentren Westdeutschlands nach Arbeit zu suchen.
Wie sehen die BRD-Pläne für das Wartburg-Werk aus?
In Halle D erfolgt die „Hochzeit“ zwischen Fahrgestell und Karosserie. Gearbeitet wird in drei Schichten bei einer 42 -Stunden-Woche. Pro Tag laufen etwa 240 Autos vom Band, vorausgesetzt, alle Teile sind da. Oft steht das Band tagelang wegen fehlender Lieferungen still.
Das Fahrwerk kommt aus Gotha, der Motor wird aus Eisenach geliefert - beides aus Betrieben des IFA-Kombinats. Eine Zulieferindustrie im Raum Eisenach existiert nicht; der Transport ist daher aufwendig. Im Jahr kommen auf diese Weise nicht einmal 60.000 Fahrzeuge zustande. (Zum Vergleich: Bei Opel liefen 1988 allein über 540.000 „Kadett“ vom Band.)
Die Wende in der DDR brachte dann die gewünschten kapitalkräftigen Verhandlungspartner aus dem Westen nach Eisenach. Neben VW-Managern, die bereits ein Joint-venture mit dem IFA-Kombinat verabredet haben, gaben sich Anfang dieses Jahres das Opel-Vorstandsmitglied Louis R. Haughes und der BMW-Direktor Werner Sämann im AWE die Klinke in die Hand. Gesprächsgegenstand: die künftige Produktion im Automobilstandort Eisenach.
Doch die Direktoren mögen bei ihren Gesprächen mit dem AWE -Betriebsdirektor Wolfram Liedke weniger das alte Werksgelände inmitten der Stadt als vielmehr die geplante neue Autofabrik auf der grünen Wiese nahe Eisenach im Auge gehabt haben. Die westlichen Automobilmanager hatten zukunftsträchtige Pläne für das Wartburg-Werk in der Tasche, wenn der AWE-Betriebszeitung 'Motor‘ Glauben geschenkt werden darf. Opel strebt demnach die Produktionsübernahme eines sich noch in der Entwicklung befindlichen Modells an; darüber hinaus ist eine mögliche Beteiligung der DDR -Industrie an Baugruppen wie Motor, Getriebe, Achsen und Kfz -Elektronik offen. Bei BMW geht es um eine Zusammenarbeit im Werkzeugbau, aber auch um die Produktionsübernahme eines Typs der 3er-Serie im neuen Werk ist im Gespräch. In den Konzernzentralen in Rüsselsheim und München wollte man die Pläne weder bestätigen noch dementieren; es würden Gespräche geführt, wie das zur Zeit alle machten, ließ beispielsweise Werner Sämann verlauten.
In der Belegschaft
wächst die Verunsicherung
Die VW-Pläne mit der IFA umfassen die Produktion eines völlig neu konzipierten Fahrzeugs mit mindestens 1.000 Autos pro Tag. Hierfür sollen die Automobilstandorte Eisenach, Karl-Marx-Stadt, Tschoppau und Zwickau genutzt werden. Sehr wahrscheinlich ist aber, daß der neue Ost-VW im Trabi-Werk Zwickau vom Band laufen wird, wo ein neues Werksgelände bereits kurz vor der Fertigstellung steht.
Bis Ende dieses Monats soll der zukünftige Konzernpartner feststehen, wenn es nach Betriebsdirektor Liedke gehen soll. Doch nicht nur in der Belegschaft wächst die Verunsicherung, je länger der künftige Partner und die damit verknüpften betrieblichen Veränderungen im unklaren bleiben. Die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust geht um. „Wir befinden uns in einer absoluten Zwangslage“, erklärt Dieter Herzog, in der Fahrzeugendkontolle tätig. „Wir wollen, daß der Laden hier weiterläuft.“ Hier läuft greift das Interesse der Belegschaft Hand in Hand mit dem der Betriebsleitung.
Wenn es nach der überwiegenden Mehrheit der Werktätigen geht, sollen im AWE nicht Aggregate gebaut oder Zulieferteile gefertigt werden, sondern wie bisher fertige Autos vom Band laufen. Wenn dies eines Tages ein modernen Westschlitten sein könnte, würde sich ein Traum vieler AWE -Arbeiter erfüllen.
In den kommenden Wochen fallen die wichtigen Entscheidungen über das Profil des AWE-Werks und damit für die künftige Struktur. Die Sache hat nur einen Haken: Die Gespräche und Verhandlungen laufen hinter verschlossenen Türen, die Belegschaft bleibt außen vor. Viele sehen sich in ihrer Hoffnung nach innerbetrieblicher Mitbestimmung getäuscht. „Wir sind ein volkseigener Betrieb, wir gehören doch niemandem“, ist zu hören. Der Zorn richtet sich gegen die AWE-Direktoren, die allesamt zur alten SED-Garde zählen, auch wenn Liedke inzwischen aus der Partei ausgetreten ist. Bei anderen ist die Apathie und das Mißtrauen früherer Tage geblieben, das aus den Erfahrungen der eigenen Einflußlosigkeit herrührt. „Wenn VW, Opel oder BMW kommt, können wir sowieso nichts machen“, sagen sie.
Lediglich eine kleine Gruppe sogenannter Basisgewerkschaftler scheint sich Gedanken über eine Erneuerung ihrer Interessenvertretung zu machen. „Wir müssen einen Fuß in die Tür stellen, bevor das Kapital da ist“, sagt Dieter Herzog, einer der Werksdelegierten des FDGB -Kongresses. Doch der FDGB besitzt bei den Beschäftigten längst keinen Kredit mehr. Mit ihm verband sich für viele ohnehin nur die Beschaffung von Ferienplätzen einmal im Jahr. Reihenweise treten nun die Kollegen aus. Das Problem ist nur, daß die Gewerkschaft den Alleinvertretungsanspruch und nach geltendem DDR-Arbeitsgesetzbuch weitreichende Rechte besitzt, andere Formen betrieblicher Interessenvertretung dagegen gesetzlich nicht abgesichert sind. Es herrscht Ratlosigkeit darüber, wie das Vakuum, das durch die Diskreditierung der Vertretung durch den FDGB -Apparat entstanden ist, wieder gefüllt werden kann, wie ein radikaler Schnitt mit den alten Strukturen aussehen soll.
Irritiert sind Teile der AWE-Belegschaft auch darüber, daß neuerdings sogar Betriebsdirektor Liedke - wie übrigens so mancher Betriebsleiter in der DDR - gerne ein Betriebsratsgremium im Werk sähe. Er sucht nach neuen Bündnispartnern als Stütze für seine Atomobilpläne, nachdem mit der Auflösung der Betriebsparteileitung ihm nun das Rückgrad fehlt. Es wird gemunkelt, das Betriebsräteodell samt dazugehörigem Betriebsverfassungsgesetz nach westdeutschem Muster einzuführen. Das sei dem Betriebsdirektor von den Gesprächspartnern der Automobilkonzerne souffliert worden.
Am betriebseigenen Runden Tisch, an dem neben Betriebsdirektor Liedke Vertreter der Parteien und neuen Gruppierungen sowie die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) Platz genommen haben, wurde die Bildung eines Belegschaftsrates vereinbart. Dieser soll, so dieser Runde Tisch, „dem Betriebsdirektor bei der Entscheidungsfindung zur Seite stehen und gleichzeitig die Verbindung zu den Werktätigen garantieren“. „Wir können nicht nur Köpfe abschlagen, es muß auch irgendwie weitergehen“, begründet Dieter Herzog diesen Schritt.
Der FDGB, in Person des kommissarischen BGL-Vorsitzenden Klaus Reinhardt von Betriebsdirektor Liedke als dessen „Gegner“ bezeichnet und vom Runden Tisch verwiesen, konterte geschickt. In einem Flugblatt, kurzerhand von der Kasseler IG-Metall-Verwaltungsstelle gedruckt, wird der Vorwurf erhoben, der Belegschaftsrat wolle „vordergründig betriebliche Leitungsinteressen“ durchsetzen und sei somit „bequemer Partner“ des Betriebsdirektors - „also sein verlängerter Arm“. Statt dessen wird eine starke Betriebsgewerkschaftsleitung gefordert und die Errichtung eines Wirtschafts- und Sozialausschusses zur betrieblichen Entscheidungsfindung.
„Nun sind wieder
die alten Kräfte am Werk“
Die Befürchtung, die Belegschaftsräte könnten durch Betriebsdirektoren instrumentalisiert werden und dazu beitragen, die Gewerkschaft aus den Betrieben zu kippen, wird zwar vielfach geteilt, dennoch sind die KollegInnen empört. Der FDGB habe „moralisch abgewirtschaftet“, sagen sie, „nun sind wieder die alten Kräfte am Werk“. Die Aktion falle denjenigen in den Rücken, die für eine Erneuerung eintreten. Daß es gerade die IG Metall ist, die diese Kräfte noch stützt, will keiner so recht verstehen. Die Führungscrew des AWE versucht indes, die verlockenden Pläne der Belegschaft und den BürgerInnen Eisenachs schmackhaft zu machen, nicht ohne auf das drohende Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit hinzuweisen.
Doch die AWE-Pläne stoßen bei Umweltschützern und besorgten Bürgern auf wenig Gegenliebe. Der Grund: das neue Werksgelände im Hörseltal nahe der 600-Seelen-Gemeinde Stedtfeld. Dort soll einmal eine komplette Autofabrik stehen. Ein Preßwerk ist schon in Betrieb genommen. Eine Milliarde Mark wurde auf dem Gries, wie das Gebiet dort auch heißt, bereits investiert, auf fünf Milliarden wird sich das Gesamtvorhaben belaufen. Geplant ist auch ein Heizkraftwerk, dessen Leistung zu 60 Prozent von AWE und zu 40 Prozent von Eisenach genutzt werden soll.
„Wir lassen uns von den AWE-Direktoren nicht die Augen verkleistern“, sagt Ralf-Uwe Beck, Umweltpfarrer des Thüringer Kirchenbezirks. Auch das Stedtfelder Bürgerkomitee liegt mit dem AWE heftig im Clinch. Sie befürchten durch die Werkserweiterung weitreichende klimatische Veränderungen und ökologische Schäden. Das westlich von Eisenach liegende Hörseltal hat für die Stadt die Funktion eines Frischluftkorridors, durch den bei dem meist vorherrschenden Westwind der Smog aus dem Kessel hinausgeblasen wird. Eisenach sei ohnehin schon „Katastrophengebiet in Sachen Luftverschmutzung“, erklärt Christian Köckert, ebenfalls Pfarrer und Bürgerkomitee-Mitglied.
Bereits in den 60er Jahren hatte die AWE-Führungscrew auf der Suche nach Erweiterungsmöglichkeiten den Neubaustandort ins Auge gefaßt. Das Gelände wurde kurzerhand von der LPG Pflanzenproduktion Neuenhof eingezogen. Ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt begannen die Bauarbeiten. Zunächst wurde die Hörsel umgeleitet und begradigt, dann wurden einige Hügel gesprengt und abgetragen, um meterhoch Baugrund aufzuschütten. Bei den Sprengungen vor etwa zehn Jahren wurden auch einige Häuser im Stedtfelder Neubaugebiet in Mitleidenschaft gezogen. Damals hagelte es erste Proteste. Die bekannte AWE-Planungmanie blieb aber ungebrochen. Tiefbrunnen zur Wasserversorgung des Werks wurden gebohrt, wodurch sich der Grundwasserspiegel senkte und Bäume auszutrocknen begannen. Ab-Produkte werden in die Hörsel abgelassen, die zusammen mit dem großteils ungeklärten Abwasser aus Eisenach den Bach zu einer stinkenden Kloake machten.
Wenn nun das Heizwerk hochgezogen werde, sei das Projekt kaum mehr zu verhindern, sagt Christian Köckert. Das Bürgerkomitee hat zusammen mit Umweltgruppen jetzt Unterschriften gegen eine AWE-Erweiterung gesammelt. Von den Werktätigen weht den Umweltschützern aber ein kräftiger Gegenwind ins Gesicht. „Ihr spinnt wohl, unsere Arbeitsplätze!“ bekommt nicht nur Köckert zu hören. Die Umweltschützer stellen klar, daß sie den Werktätigen nicht in den Rücken fallen wollen. Sie werfen der Belegschaft aber vor, sich von deren „Super„-Manager an die Wand drücken zu lassen und fordern eine „Alternativproduktion in den vorhandenen Produktionsstätten“.
Auch der Stadt Eisenach passen die AWE-Erweiterungspläne nicht so recht ins Konzept. Eisenach will künftig mit ihrem Anziehungspunkt, dem Schloß Wartburg, ganz auf den Tourismus setzten. Dafür fehlt aber noch die nötige Infrastruktur. Und die kann kaum hochkommen, wenn das AWE weiter dominiert. „Die Zeiten müssen ein für allemal vorbei sein, daß über den Kopf der betroffenen Kommune hinweg entschieden wird“, fordert das Bürgerkomitee. Doch die in der DDR geplante Steuerreform kann den Spieß leicht umdrehen - dann nämlich sollen die Kommunen direkt vom Steueraufkommen ihrer Wirtschaft profitieren. Und wer hätte dann nicht liebend gern einen Großbetrieb wie das AWE direkt vor der Haustür?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen