piwik no script img

Neu im Kino

■ „Die Viererbande“ von Jacques Rivette

Bulle Ogier in ihrer Schauspielschule

Es gibt: Ein Haus, draußen an der Pariser Banlieue, mit einem Garten, verwildert und undurchsichtig. Es gibt Zimmer, die ineinander übergehen, eine Gemeinschaftsküche und einen Salon. Ein Wirrwarr von Türen, Kaminen und Fenstern, spukenden Geistern. Vier Frauen, Freundinnen wohnen hier, eine fünfte ist gerade gegangen, um mit einem geheimnisumwobenen Mann, den noch keine der anderen gesehen hat, zusammenzuleben.

Es gibt: Die Probenbühne eines Schauspielkurses, gut ausgeleuchtet, eine klare Ebene, gibt das Auditorium davor und verschiedene Ausgänge in bekannte und unbekannte Welten. Es gibt die Schauspiel-Elevinnen, alle weiblich und mit Verve bei der Sache, eine Lehrerin, sachlich, hart und unnahbar.

Es gibt: Die Stadt, gibt nachtnasse Straßen, flimmernd ausgeleuchtet, die Metro und die Bahnhöfe, gibt Bars, Bistros und Autos, scheinbar zufällige Begegnungen mit einem Mann. Den Sonnenschein der Wintertage gibt es und die großen Gefühle, ganz real gegenwärtig und ihre Simulation in den geprobten Szenen der alten Meister.

Ein Film, wenn er gut ist, stellt ein Rätsel, eröffnet ein Geheimnis. Er zeigt Bilder, bewegte, stellt sie in Beziehung zueinander und erzeugt aus der Spannung der verschiedenen Blicke einen Denkprozeß. Ein guter Film erzählt vor allem die Geschichten, die er nicht zeigt, regt an, hinterläßt ein Geheimnis. Schon deshalb kommen gute, poetische Filme meist aus dem verschlafenen Europa, aus dem romanischen Teil.

Jacques Rivette, Veteran der 'Nouvelle Vague‘ ist schon seit jeher auf intelligente filmische Verwirrspiele abonniert. Mit „Die Viererbande“ hat er ein schön glänzendes Puzzle inszeniert, dessen Spannungslinien kreuz und quer laufen. Ein Krimi über das Theater, eine Collage über die Kunst, ein fast tonlos musikalisches Epos über die Inszenierung von Gefühlen. Ein selbstbewußtes Spiel mit den imaginativen Möglichkeiten des Mediums: wo ich ein Geheimnis pflanze, hört der Film nicht auf, auch wenn das Kino schon Stunden hinter mir liegt.

step

Cinema, 16.-18. u. 23.-25., 18 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen