: Die Zähmung des Widerspenstigen
■ Frank Beyers „Spur der Steine“, DDR-Tresorfilm von 1966, im Wettbewerb
Brigadier Balla ist der beste Arbeiter auf der Großbaustelle Schkona. Ein Hüne von Mann, der Wert legt auf seinen schlechten Ruf. Wo seine Brigade auftaucht, gehen Stühle zu Bruch, Konflikte werden mit der Faust geregelt. Ein ungehobelter Kerl, nichts für sanfte Gemüter: der Mann hat einfach zuviel Energie. Aber arbeiten kann er für drei, und im Grunde ist er herzensgut.
Balla verliebt sich in Kati, die neue Ingeneurin. Kati verliebt sich in Horrath, den neuen Parteisekretär. Ein Intellektueller. Der glaubt im Ernst: „Der Mensch wird durch Vertrauen gut“. Aber er schafft es. Horrath krempelt Balla um, und alle drei zusammen die Baustelle. Nur privat scheitert Horrath. Er verliert Kati, weil er verheiratet ist und seiner Frau nicht die Wahrheit sagt.
Spur der Steine ist ein Produktionsfilm, dem es ernst ist mit seinem Plädoyer „gegen die Resignation und gegen die naive Sturheit“, gegen die hohlen Formeln von der „Weisheit des Kollektivs“ und dem „Plan, der heilig ist“. Trotzdem ist Beyers Film eine Komödie, voll pädagogischer Absichten zwar, aber von allen Tresorfilmen der leichteste. Am Ende siegt, wer die besseren Witze macht. Das liegt an Manfred Krug. Er macht aus Brigadier Balla einen hinreißend sympathischen Flegel mit grobem Charme - ihm glaubt man sogar die im Grunde unwahrscheinliche Wandlung vom Saulus zum Paulus. Das liegt auch an Beyers Verspieltheit, der auch die Szene im Dorfteich zu verdanken ist. Ballas betrunkene Brigade springt in den Teich, ein Haufen nackter Muskelprotze tanzt Ringelreihen um die Enten herum, und der Vopo fliegt auch noch ins Wasser. Slapstick wie in Stummfilmzeiten. Nicht zu vergessen die raffinierteste Liebeserklärung, die ich je in einem DDR-Film zu hören bekam. „Mit ihnen“, sagt Balla zu Kati, „würde ich mir sogar 'nen DEFA-Film anschaun“.
Spur der Steine wurde erst nach dem 11. Plenum fertiggestellt, allerdings ohne die ursprünglich geplante Titelmusik von Wolf Biermann. Der Film wurde zunächst gelobt und lief im Juli 1966 sogar im Kino. Aber dann wurden gezielte Proteste inszeniert, mit Hilfe von organisierten Buhrufern gelang es, ihn nach einer Woche auf Eis zu legen. Die nächste öffentliche Aufführung war im Novmeber '89.
Christiane Peitz
Frank Beyer: Spur der Steine, nach dem Roman von Erik Neutsch, mit Manfred Krug, Krystyna Stypulkowska, Eberhard Esche, Hans-Peter Minetti (er spielt den sturen Bürokraten Bleibtreu), DDR 1966, 150 Min.
15.2. Zoo-Palast 9.00 und 22.30, 16.2. Urania 18.30, Kosmos 22.30
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