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Das neue Elend der Monika Maron

■ betr.: "Das neue Elend der Intellektuellen", taz vom 9.2.90

betr.: „Das neue Elend der Intellektuellen“, taz vom 9.2.90

Einen Bärendienst erweist Monika Maron all jenen, die hüben wie drüben den gesamtteutonischen Taumel als Allheilmittel sozialer, ökonomischer und ökologischer Probleme in Frage stellen. Wenn den anderen daheym der Wind der Geschichte die Ohren zaust, ist es leicht, sich in Husum die Nase vom Grog wärmen zu lassen.

Warm wird's ihr ums Herz, wenn sie als Zuschauerin des sozialistischen Schiffbruchs - um die Kritik und Überwindung des Stalinismus geht es hier ja schon lange nicht mehr - die Rettungsboote in freiheitlich-demokratischen Gewässern dümpeln sieht, während einige sich noch immer weigern, anzuerkennen, daß man niemals hätte aufbrechen dürfen. Neidisch blickt sie auf die 'Spiegel'-Honorare, die Stefan Heym verdient.

Den Kampf an der westlichen Futterkrippe überhöht sie zu einem ideologischen Grundsatzstreit mit ihren ehemaligen DDR -KollegInnen und setzt auf eine längst überwunden geglaubte flachstirnige Volkstümelei. Wenn der Prophet zum Berg gehen muß, heißt dies noch längst nicht, daß er sich in ihm begraben lassen soll. Genau dies will aber Monika Maron und anempfiehlt es ihren KollegInnen.

Die Kluft zwischen Intellektuellen und Volk will sie überwinden, indem sie nicht mehr gegen den Strom, sondern mit den toten Fischen schwimmt. Die masochistische Demontage ihres eigenen Denkens wird ihr mit dem Bewußtsein vergolten, sich mit den MontagsdemonstrantInnen in Leipzig eins zu wissen, das heißt, daß die Freiheit und Demokratie nur westwärts der Elbe leuchte.

Man mag es einer Ex-DDR-Schriftstellerin kaum verdenken, das Land, in dem wir leben, kaum zu kennen: Doch fragen wir, ob so viel Blindheit speziell in der taz ertragen werden darf.

Ja, die Volksarmee hat dem Prager Frühling 1968 einen Herbst bereitet. Dies legitimiert jedoch nicht, die Wirklichkeit der BRD wegzuleugnen. Die Bundesrepbulik ist schon längst überall einmarschiert, sie läßt foltern, zerstückeln und morden mit jedem Waffenexportgeschäft, daß sie genehmigt, sie läßt meucheln in Chile, Südafrika und anderswo und der deutsche Aktienindex quittiert jeden dieser heimlichen Einmärsche mit freudigen Luftsprüngen.

Ihre richtige Feststellung, in der DDR herrschte eine unkontrollierte Geheimpolizei, will nahelegen, daß die hiesige soviel mehr kontrollierter sei. Ihre Erfahrung mit der Diktatur in der DDR läßt sie blauäugig glauben, hier setzten sich nicht in letzter Konsequenz die Interessen des Kapitals durch.

Falsch behauptet sie, die besondere DDR-Identität bestünde in der Angst vor Marktwirtschaft, Drogen, Aids, AusländerInnen und Zukunft. Diese Identität besteht tatsächlich in der eigenen Blind- und Dummheit, die eine Folge von 40 Jahren freiwilliger und jetzt verdrängter Knechtschaft gegenüber dem Stalinismus ist.

Das von ihr behauptete „neue Elend der Intellektuellen“ ist ihr eigenes Elend. Sie bedient das faule Denken, das eine opportunistische Effekthascherei vor die konkrete Analyse der augenblicklichen Situation stellt; dies in der kaum verhohlenen Hoffnung, daß ihr das Volk nicht mehr Pralinen unter den Fußabtreter legen muß, sondern der Postbote den 3.000-Mark-Scheck vom 'Spiegel‘.

Schließen wir frei nach Maron: „Wäre Maron ein Einzelfall, könnten wir diese Entgleisungen ertragen, und darüber schweigen. Aber sie ist kein Einzelfall.“

Stefanie Ghassem-Fachandi, Reinhard Krüger, Berlin

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