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Der Teufel ist wieder da

Comeback des Bösen: Diesmal sind's, nach Bischofsauskunft, die Zeugen Jehovas  ■  Aus Rom Werner Raith

Na, das wurde aber auch Zeit: Nachdem das „Reich des Bösen“ selbst für die Amerikaner untergegangen ist, die unbotmäßigen und daher beelzebubverdächtigen Ostkirchen sich dem Großen Polnischen Befreier vom Petersplatz unterwerfen, die Muslims mit dem Papst enge Berührungspunkte in Sachen Fundamentalismus erkannt haben und selbst die Juden dem Nachfolger Petri ihre Aufwartung machen, sahen selbst langsame Denker die Grundsubstanz der Religion gefährdet: Immer mehr fehlte eben jenes Element, das den Fels der diesseitigen Jenseits-Hüter so stark gemacht hat - der Böse schlechthin, der Regent des Inferno, mit dem man immer drohen kann, wenn Argumente ausgehen und die Untertanen nicht folgen.

Die Suche war verzweifelt und dauerte ziemlich lange, speziell weil dem Karol Wojtyla so mancher Naserümpfer im eigenen Katholennest dessen Gekungel mit Bösewichtern in Ost und West nachträgt; besser diesmal nicht wieder politische Köpfe und Regime als Satansvermenschlichung zu wählen.

Doch nun ist die Sache ausgestanden: Seit Donnerstag dieser Woche hat die Glaubensgemeinde wieder ihren Antichrist, vielmehr - weltweit - mehr als eine Million davon; verkündet wurde das Verdikt in einem fast 600 Seiten starken Buch des apulischen Pfarrers Virgilio Facecchia und vorgestellt im Vatikan vom Kardinal Silvio Oddi: Die Zeugen Jehovas sind's, die von nun an als der „sichtbare Ausdruck des Teufels auf Erden“ gelten. Das läßt sich, so die wissenschaftliche Analyse, leicht beweisen, liest man nur mal das akribisch aufgelistete Sündenregister der Bibelforscher nach: So glauben die nur an einen einzigen Gott und nicht an die Dreifaltigkeit, verehren keine Heiligen, brummeln etwas vom nahen Weltende und behaupten, jeder stürbe einen doppelten Tod (den leiblichen und den seelischen).

Vor allem aber: Sie leugnen glatt, daß es überhaupt eine Hölle gibt - was braucht man noch mehr um zu erkennen, daß sich genau dahinter der Leibhaftige verbirgt, der selbstverständlich seine eigene Existenz verbergen möchte. Und dann die Volksschädlichkeit der Zeugen schlechthin: Seit 1971 dürfen sie, wie ein Aussteiger bekanntgab, nicht mehr rauchen! Wo kämen wir da hin, wenn alle Glaubensgemeinschaften derart wirtschaftsabträgliche Dekrete erließen.

So jedenfalls war sich die Präsentatorenrunde einig: Hier muß auch der Staat einspringen: Auf keinen Fall dürfte dieser, wie von den Zeugen im Zuge einer lächerlichen Gleichmacherei gefordert, die Zeugen Jehovas als eigene Gemeinschaft anerkennen.

Das wird schwierig werden. Denn in Italien stellen die Bibelforscher die zweitgrößte religiöse Gemeinde, mehr als 300.000 Mitgliedern - und auf die wollen bei den nun anstehenden Wahlen nicht einmal die frommen Christdemokraten verzichten. Lieber mit dem Teufel paktieren als Stimmen verlieren.

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