: Vom Schadstoffmobil nach Südamerika
■ Giftmüll im Bremer Hafen stammt von Umweltbewußten / Exporteur macht auf unschuldig
Wer in seinem Haushalt fleißig Farben, Lacke, Medikamente, Lösungsmittel oder Knopfzellen-Batterien sammelt, das giftige Zeug danach zur Schadstoffsammlung trägt und glaubt, damit eine gute Umwelttat getan zu haben, kann sich bös‘ getäuscht haben. Der Inhalt der mindestens 400 falsch deklarierten von insgesamt 900 Fässern, die im Bremer Industriehafen beschlagnahmt und jetzt untersucht wurden, stammt aller Wahrscheinlichkeit aus eine Sondermüllsammlung. Während der Hamburger Repräsentant des Möchte-Gern -Exporteurs „H.I.S. of Lakeland“, Firmensitz Florida, behauptet, daß das Gift aus Niedersachsen kommt, gibt es andere Hinweise, daß die umweltbewußten Sammler im Westfälischen wohnen. Dort entsorgt eine Firma namens Weise den Sonderabfall, und die wiederum arbeitet mit der Bottroper Firma Schmitz zusammen. Und Schmitz seinerseits war Lieferant für „H.I.S. of Lakeland.“ Die Motive der Giftmüllschieber liegen auf der Hand. Während bei ordnungsgemäßer Entsorgung die Kosten zwischen 250 und 300 Mark pro Tonne liegen, hätte der Transport nach Südamerika nur 50 Mark gekostet.
Der Repräsentant der amerikanischen Firma, Kornelius Engel, der gestern von der Umweltkripo in Bremen vernommen wurde, behauptete gegenüber der taz, daß ihm der Bottroper Lieferanten „ein Kuckucksei ins Nest“ gelegt habe. Im Prinzip sichere sich
Firma zweifach gegen Giftschiebereien. Zum einen durch einen Vertrag, in dem die Art der Stoffe festgeschrieben sei, und zum zweiten durch Analysen, die einem Chemiker in Florida vor dem Transport zur Begutachtung geschickt würden. In diesem Fall aber sind, wie Engel zerknirscht einräumt, Analysen nicht vorgenommen worden. Nicht die einzige Ungereimtheit. Denn so ganz übers Ohr gehauen wurde „H.I.S. of Lakeland“ von dem Lieferanten wohl nicht. Der hatte nämlich nicht nur Kunstharz und Bitumen, sondern auch Eimer mit Farb- und Lackstoffresten angekündigt, Stoffe, die in der Bundesrepublik sehr wohl Sonderab
fall ist. Wirtschaftsgut aber soll nach den Papieren in den Fässern sein. Für Exporteur Engel sind Lacke und Farben aber vor allem Stoffe, „die wie der Teufel brennen.“ Und auf eben diese Eigenschaft legen angeblich die Kunden in Südamerika großen Wert. Dort würde die Ladung aus der Bundesrepublik als „Ersatzbrennstoff zum Erzeugen von Energie“ eingesetzt. Falsch ist, laut Engel, daß Paraguay das Empfängerland sei. Engel will bislang nur von 100 bis 110 falsch deklarierten Fässern wissen. Das sei die Anzahl der Fässer, die von dem Bottroper Schmitz geliefert worden sei. Die drei Hauptlieferanten, die die Mehrzahl der bis
lang 900 Fässer geliefert haben, seien mit Sicherheit sauber. Damit liegt Engel mit Sicherheit falsch. Die Umweltbehörde bestätigte gestern, daß 400 Fässer falsch deklariert worden seien. Und auch bei den 500 anderen Fässern, in denen anscheinend Bitumen und Kunstharze sind, werden noch Überraschungen erwartet, wenn die Fässer genauer untersucht werden.
200 weitere Fässer aus Nordrhein-Westfalen sollten gestern noch mit der Bundesbahn nach Bremen gebracht werden. Der Transport wurde gerade noch storniert. Engel: „Obwohl da nur Bitumen drin war.“
Holger Bruns-Kösters
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