: Streit um zukünftige Medienstruktur der DDR
■ Private wollen BRD-Medienstrukur auf DDR ausdehnen / ARD-Vorsitzender Kelm warnt vor Schnellmodellen / BKS verhandelt mit DDR über Einführung von Privatfunk
Der Bundesverband Kabel- und Satellit (BKS) spricht sich für eine weitgehende Übernahme der bundesdeutschen Strukturen bei den elektronischen Medien in der DDR aus. In einem 13 -Punkte-„Grundsatzpapier“ fordert der BKS als Interessensverband des privatkommerziellen Rundfunks die Regierungen der Bundesrepublik und der DDR dazu auf, „bereits jetzt das duale Rundfunksystem als Ziel einer gesamtdeutschen Rundfunkordnung zu vereinbaren“. Die Länder sollten die Verhandlungen über die Anpassung des Rundfunksstaatsvertrages an die Europaregelungen solange aussetzen, „bis Klarheit über die künftige Rundfunkordnung in einem vereinigten Deutschland besteht“. Der Berliner Senat wiederum solle die Beratungen für ein neues Berliner Mediengesetz „zugunsten einer gesamtdeutschen Regelung“ abbrechen.
Im einzelnen schlägt der BKS vor, im Fernsehbereich das ARD -System auf das dortige Programm DDR I zu übertragen. Landesprogramme sollten nach der Konstruktion der hiesigen Dritten Programme organisiert werden. Die Frequenzen des heutigen zweiten DDR-Programms sollten vom ZDF für dessen jetziges Programm genutzt werdend. Weiter solle das ZDF in den künftigen DDR-Ländern Landesstudios einrichten.
Dagegen hat der Vorsitzende der ARD, HR-Intendant Hartwig Kelm, davor gewarnt, vorschnell Modelle für eine Medienlandschaft in einer sich verändernden DDR zu entwickeln oder zu empfehlen. Statt sich hier vorzudrängen, sagte Kelm, sei es „sinnvoller, eine solche Aufgabe systematisch anzugehen“. Sicherlich sei es notwendig, auch für den Fall einer möglichen staatsrechtlichen Vereinigung der Bundesrebublik und der DDR alle dann in Frage kommenden Modelle „einmal zu durchdenken“. Diese Modelle müßten aber auch konstruktiv durchgerechnet und auf ihre technische wie finanzielle Machbarkeit hin überprüft werden. Die ARD müsse zu diesem Zweck eine Arbeitsgruppe bilden. Anregungen und Modelle für eine künftige veränderte Medienlandschaft sollten dabei auch von außen eingeholt werden.
Kelm übte in diesem Zusammenhang Kritik am Intendanten des Deutschlandfunks, Edmund Gruber, der bereits die Erwartung ausgesprochen hat, daß es noch in diesem Jahr eine Erweiterung der ARD um fünf Landesrundfunkanstalten des jetzigen DDR-Gebiets geben und zugleich das ZDF seine „Zuständigkeit auf das Gebiet der DDR ausdehnen“ werde. Dies sei, so Kelm, ein mit der ARD nicht abgestimmter „Alleingang“. Zwar sei es natürlich dem DLF-Intendanten „unbenommen“, seine Vorstellungen zu diesem Thema „hinauszuposaunen“. Doch stelle sich die Frage, ob es „sinnvoll ist, bereits zum jetzigen Zeitpunkt über neue Modelle zu diskutieren“. Schließlich könne sich herausstellen, daß sie undurchführbar seien.
Ebenfalls zurückgewiesen hat der Deutsche-Welle-Intendant Dieter Weirich die Forderung des BKS, die Deutsche Welle in einem vereinigten Deutschland aufzulösen. Der BKS -Vorsitzende Jürgen Doetz schlage sich mit seinen eigenen Argumenten, wenn er für eine neue, aus Steuermitteln finanzierte Rundfunkanstalt eintrete, die Fernsehen und Hörfunk ins Ausland abstrahlen solle, meinte Weirich. Damit verlange Doetz nämlich „zuerst das Ableben und dann die Wiedererstehung der Deutschen Welle“. Positiv wertete Weirich allerdings „das grundsätzliche Bekenntnis von Doetz zu einem starken Auslandsrundfunk in der Zukunft“, der auch Fernsehen umfasse.
Doetz hatte am Montag in einem Grundsatzpapier privater Rundfunkanbieter zur künftigen Medienordnung die Auffassung vertreten, die Sender Deutschlandfunk, Deutsche Welle und RIAS Berlin hätten keine Existenzberechtigung mehr.
Desweiteren wurde bekannt, daß der BKS mit der DDR über die Einführung von privatem Rundfunk verhandelt. Entsprechende Gespräche seien am 12. Februar mit Vertretern des DDR -Fernsehens, der dortigen Post und des Runden Tisches aufgenommen worden, sagte Jürgen Doetz vor Journalisten in Berlin. Im Mittelpunkt dieser ersten Gespräche in Ost-Berlin habe die Frage gestanden, wie technische Anlagen zur Einführung des privaten Rundfunks bereitgestellt werden könnten. Vorrangig sei es allerdings aus der Sicht der DDR -Post, das Gebiet um Dresden mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen von ARD und ZDF zu versorgen. Bevor dies nicht der Fall sei, so die von Doetz weitergebenenen Auffassungen der DDR-Vertreter, könne man in anderen Gebieten der DDR keine weiteren TV-Programme anbieten. Sonst werde es seitens der Dresdner Bevölkerung zu großen Protesten kommen.
Wie Doetz weiter sagte, seien nach Angaben der DDR-Post derzeit 150.000 Wohneinheiten an 1.200 Satelliten -Gemeinschaftsanlagen angeschlossen, deren Aufstellung auf Eigeninitiative der Bürger zurückgehen. Um eine Vollversorgung auch für die Umgebung von Dresden zu erreichen, sei der Anschluß von weiteren 300.000 Einheiten erforderlich. Eine entsprechende Verkabelung bedeute Investition von rund 300 Millionen Mark. Weil die DDR diese Investitionssumme nicht aufbringen könne, wolle der BKS versuchen, westliche Investoren zu gewinnen, die „einen langen Atem hinsichtlich der langen Re-Investitonsphase“ haben. In dieser Hinsicht wolle der BKS künftig sein „Know how“ in der DDR zu Verfügung stellen. Schließlich gehörten zu diesem Interessensverband auch Unternehmen der Geräte und Verbreitungsindustrie, Verkabelungsgesellschaften und Werbeagenturen. Man verstehe sich als „Pressure Group“, wobei nun zuerst die Techniker die Aufgabe hätten, eine „plurale Ordnung“ in der DDR zu schaffen.
epd/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen