: Skisport versaut jetzt auch die Sierra Nevada
■ Ökogruppen fürchten, daß Schneemangel in den Alpen die Bewerbung von Granada für die Ski-WM '95 erleichtert
Während in den Alpen seit Monaten die Winterschlacht mit den Schneekanonen tobt, kann die andalusische Sierra Nevada mit einer stabilen Schneedecke auftrumpfen: eineinhalb Meter hohes Weiß. Wenn im März über den Austragungsort der Ski -Weltmeisterschaft 1995 entschieden wird, hat die Bewerbung Granadas in diesem Jahr deshalb besonders gute Aussichten.
Was den spanischen Tourismuspolitikern und Wintersportstrategen steile Wachstumsraten verspricht, könnte für das sensible Ökosystem des Sierra Nevada, von der Unesco 1986 zum Reservat der Biosphäre erklärt, das endgültige Aus bedeuten. Noch existieren in der teilweise unberührten Bergwelt 2.500 verschiedene Pflanzenarten, darunter absolute Seltenheiten.
Außerdem gibt es eine reichhaltige Fauna. Allein rund fünfzig vom Aussterben bedrohte Tierarten, von denen einige nur hier vorkommen, leben in der Sierra. Bedroht sind beispielsweise Dachs, Marder und Bergkater, bereits von der Bildfläche verschwunden der Schwarze Geier, der Luchs oder der Lämmergeier, der hier auf den hübschen Namen „Knochenbrecher“ hörte.
Mit einer Lawine von Protestschreiben an den Präsidenten des Internationalen Skiverbandes (FIS) und die andalusische Landesregierung hofft jetzt die Granadiner „Kommission zur Verteidigung der Sierra Nevada“ zu retten, was noch zu retten ist.
Die jüngsten Eingriffe in das Landschaftsbild der Dreitausender um Mulhacen und Veleta lassen tatsächlich das Schlimmste befürchten: Im Zuge einer Pistenerweiterung wurde der Rio Monachil an einer seiner malerischsten Schluchten in eine Wellblechröhre gezwängt; eine flächendeckende Beschallung der 120 Pistenkilometer scheint den US-Besatzern von Panama beweisen zu wollen, daß man auch in Spanien etwas von psychologischer Kriegsführung versteht; die neuen Liftmasten der Piste zum Gipfel des Veleta wurden entgegen den Auflagen der Umweltbehörde nicht mit Hubschraubern, sondern mit Raupenschleppern verlegt.
Und jetzt sind auch noch die Kommunisten von Monachil umgefallen: Im letzten Jahr noch eine der letzten Bastionen im Kampf gegen die Erweiterung des Ski- und Bauvolumens, haben sie nun auch einen Teil vom sportgeschäftlichen Kuchen erhalten und einem Bebauungsplan zugestimmt, der auf einer Höhe von über 2.200 Metern eine Verfünffachung der gegenwärtigen Baufläche vorsieht.
Schon hat der sozialistische Bürgermeister von Granada angedroht, daß in den nächsten Jahren im Hinblick auf die Weltmeisterschaften eine neue Schnellstraße und ein Bahnanschluß den Massenansturm auf die Pisten von „SolyNieve“ erleichtern soll.
„Unsere Politiker sind unfähig“, meint Pepe Galan von der Kommission zu Verteidigung der Sierra Nevada, „Entwicklungsprojekte zu planen, die, statt die Umwelt zu zerstören und die Berge nur im Hinblick auf die Schneemenge zu betrachten, den vielfältigen wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten dieses Gebirges gerecht werden. Und dabei seine große ökologische Bedeutung, seine genetischen Reserven und die Weiterentwicklung seiner traditionellen Siedlungsformen berücksichtigen.“
So fordert die Kommission in Zusammenarbeit mit den ökologischen Gruppen Granadas einen „sanften Tourismus“, der die traditionellen Erwerbszweige des Gebirges wie Schafs und Ziegenhaltung fördert, Wiederaufforstung sowie den Gemüse- und Obstanbau unterstützt, die Angebote für Bergwanderungen und Klettersport, für die Erhaltung und Beobachtung der einzigartigen Fauna und Flora ausbaut.
Bei der großen Koalition von Betonköpfen käme den Protestlern Unterstützung von der Wetterfront gerade recht. Immerhin: In den Alpen hat es jetzt geschneit.
frl
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