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Auf kaltem Wege abservieren

■ Schwarzwälder Langläufer, Biathleten und Kombinierer widersetzten sich heftig dem Versuch, Berchtesgaden auf ihre Kosten zum Skizentrum auszubauen / Will Sportdirektor Weinbuch zum nordischen Emil Beck werden?

Fahl (taz) - Die Idylle täuscht. Auf der Todtnauer Hütte im Schwarzwald herrscht Kampfstimmung. Die rund 20 Langläufer, Biathleten und Nordische Kombinierer der Bundeswehrfördertruppe in Fahl samt ihrer Betreuer und Trainer sehen düstere Wolken aus Bayern aufziehen: Der Grund: Helmut Weinbuch, Sportdirektor des Deutschen Ski -Verbandes (DSV) will alle Kombinierer an den Olympiastützpunkt Berchtesgaden versetzen. Fahl soll dann aufgelöst werden.

Die Miene von Hans-Peter Pohl, Mannschaftsolympiasieger von Calgary und Deutscher Meister der nordischen Kombinierer, verfinstert sich, wenn er auf die mögliche Abkommandierung nach Bayern zu sprechen kommt.

Seine Vermutung: Weinbuch, ein Freund einsamer Entscheidungen, möchte aus dem bayerischen Stützpunkt ein ähnlich zentrales Leistungszentrum machen, wie es Tauberbischofsheim für die Fechter ist. So ganz selbstlos handelt der Emil-Beck-Intimus dabei nicht: Hinter vorgehaltener Hand munkeln die Schwarzwälder, daß in der neuen Zentrale sein Sohn Hermann, bisher Stützpunkttrainer, langsam zum Bundestrainer aufgebaut werden soll.

In Fahl lösen die hochtrabenden Pläne größten Unmut aus. „Wir haben hier oben die besten Bedingungen, und der Schwarzwälder Sport braucht Fahl. Wir sind schließlich wer.“ Eine Namensliste gibt Pohl recht: Georg und Dieter Thoma, Urban Hettich, Dieter Notz und die Zipfel-Brüder stehen für Ski-Tradition.

Die zentralistische Politik Weinbuchs hält der bodenständige 25jährige Schonacher für gefährlich: „Wenn die Fördergruppe weg ist, geht hier langfristig die ganze Infrastruktur kaputt. Die Vereine werden frustriert, wenn all ihre Talente nach Bayern abgezogen werden. Und ob die Jungen überhaupt weitermachen, wenn sie so weit von zu Hause weg müssen, ist auch fraglich.“ Zweifellos: die Verlegung nach Berchtesgaden würde für die heimatverbundenen Schwarzwälder ein Verlust an Lebensqualität bedeuten. Nicht auszuschließen auch, daß sich der weite Anfahrtsweg zu Mutters Spätzletopf auf direktem Wege negativ auf die Leistungsbereitschaft auswirken könnte.

Außer den sportlichen Soldaten weiß auch der Leiter des Freiburger Olympiastützpunkts, Hans-Ulrich Wiedemann, die Fahler Fördergruppe zu schätzen: „Wenn wir unseren Nachwuchs dahin schicken, wissen wir, daß sie optimal versorgt werden und optimal trainieren können.“

Freiburg ist der jüngste der insgesamt 15 Stützpunke in der Bundesrepublik. „Der DSV soll sich zu Freiburg bekennen“, fordert der 35jährige. Die Zeichen stehen auf Sturm im Schwarzwald angesichts des im Verband grassierenden Emil -Beck-Syndroms. Schon jetzt soll die Fahler Fördergruppe von 21 Soldaten auf 15 gekürzt werden. Selbst den Truppenarzt wollen die Bayern in den Freistaat abwerben. „Auf kaltem Wege“, so die streitbaren Schwarzwälder erbost, wolle Weinbuch sie abservieren. Walter Kuß, Dritter der Deutschen Langlaufmeisterschaft und ebenfalls in Fahl stationiert, warnt vor einem „Weg, der den Skisport im Schwarzwald kaputtmacht. Damit werden wir uns nicht abfinden. Man muß was dagegen tun“, fordert er. Der ambitionierte Weinbuch hat offenbar die Heimatverbundenheit, den Stolz und die Sturheit der Schwarzwälder unterschätzt.

Sein Anti-Freiburg-Manöver brachte die braven Wintersportler dazu, dem allzu weiß-blau orientierten DSV die Zähne zu zeigen. Die Freunde vom Möchtegern-Beck, so scheint es, werden täglich weniger. Fred Stober, Präsident des Schwarzwälder Skiverbandes, bringt die gereizte Stimmung auf den Punkt: „Bevor die Fördergruppe Fahl aufgelöst wird, wird der DSV aufgelöst, dafür werde ich sorgen.“

Eberhard Frohnmeyer

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