piwik no script img

Die Entschwundenheit der Frau

■ Jutta Heinrich las im Belladonna / Einigkeit und Kopf und Bauch - okay, aber langweilig

Die Einigkeit von Kopf und Bauch mit dem ätzenden Tenor von Jutta Heinrichs kunstfertigen Tiraden äußerte sich im permanenten Nicken. Frau fand Bestätigung und war's zufrieden. Wie Wirklichkeit zwischen Mann und Frau abgezogen wird von der Folie aus Beate Uhse, Penthouse und Computer -Strip per Diskette, das wurde nicht zum Thema. Steht die West-Hirsch-Pirsch auf DDR-Häschen für Sexualität heute? Deren Brüche und Ambivalenzen in Frauen und Männern wurden nicht berührt. Wie sollten sie auch, ist es doch in feministischen Kreisen verpönt, über die Parallelen zwischen Heterosex und Lesbensex zu reden. So gelingt es immer wieder, letzteren gewaltlos, hierarchie-entsorgt und human zu denken, eben ganz anders.

Jutta Heinrichs Romane über die Pornographie-Gesellschaft waren zwar alles andere als eine platte Beweihräucherung der kämpferischen Weiblichkeit. Aber trotzdem entstand zwischen ihren Texten in Propaganda-Lautstärke und dem nickenden, überfüllten Saal eine Atmosphäre, die nachdenkliche Widerhaken in der Tasche ließ. Wenn es um Sexualität geht, scheint frau im Belladonna sich im Heimspiel

zu befinden. Obwohl mich sonst ideologische Luft provoziert, hielt ich leider den Mund. Den Hintergrund für die Abschottung von Frauen machten Heinrichs Texte bildhaft. Es ging um die Entschwundenheit der Frau, um ihre Krankenschwestern-Attitüde, „ihre Opferhaltung mit dem ganzen Insuffizienz-Schwulst“, in deren unbewußte Kämmerchen das weibliche Begehren eingesperrt gehalten bleibt. „Bis heute eroberten die Frauen weder das Draußen, noch das Drinnen noch sich selbst.“ Die Wiedervereinigung ist wieder „das alte Männerspiel“. Während die Frau auf der Europabühne „chancenbegünstigt mithilft, die männliche Welt zu vermehren und die Pornographie mit digitalem Gigantismus die Peepshow hinter sich lässt, wird die Frau von Wesenlosigkeit vorangetrieben.“ Die Ungleichheit bleibt erhalten.

Diese Schärfe ist erfrischend, klar. Doch „langes Klagen verwandelt eher unversehens die Klagende in die Dienende zurück.“ Stimmt. Also was tut die Frau? Jutta bringt im Herbst was Neues raus, als Taschenbuch bei Fischer. Doch was tun die Prosties, die Berufsfamilienfrauen, die Regisseurinnen, die Sinnlich

keit abbilden wollen, die Ministerinnen, die mitten in den Widersprüchen wühlen? Ins Detail ging frau nicht, und das war okay, aber langweilig. Jutta Heinrich arbeitet, indem sie benennt. „Männer nennen das berühren“. Ausweg: „Je mehr die Frau zu ihrer Diffe

renz kommt und den Mann definiert, wird sich auch die Bildwelt verändern“. Vor diesem Hintergrund macht „Lust“ von Jelinek Leselust. Und komisch findet Jutta Heinrich das Buch auch. Pornographie transportiert nur noch Leselust. gür

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen