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Töppi, unbesungener Mythos

■ Ab heute gibt's wieder Bundesliga-Fußball, und das bedeutet: Einsatz Rolf Töpperwien

Die nassen Haare liegen unordentlich um den Kopf des Befragten, Schweiß rinnt über sein Gesicht, er keucht und kann nur stoßweise antworten. Das Gesicht des Fragenden schiebt sich vor und fixiert ihn weiter, läßt ihn nicht los. Ein kontrolliert eingesetztes, bekräftigendes Nicken hilft, den Redefluß nicht abbrechen zu lassen. „Danke!“ und ein Klaps auf den Rücken, ab in die Umkleidekabine.

Eine mediale Standardsituation: Stimmen zum Spiel. Der Fußballer hat nicht nur Fußball zu spielen, er hat Auskunft über sein Tun zu geben. Am besten, wenn die Gefühle vom gerade abgepfiffenen Spiel noch nachzittern. Diesen Moment gilt es zu erwischen. Und einer ist immer zuerst da: Töppi! Rolf Töpperwien, der Fußballpapst des ZDF, ein nur unzulänglich besungener Mythos der bundesdeutschen Sportberichterstattung.

Kein bundesdeutscher Profikicker entgeht Töppi, seit 1977 zuerst immer er auf dem Platz ist. Keine umstrittene Situation läßt er ohne Zeugenaussage, keine Emotion entgeht seinem und dem Blick seiner Kamera. Mit festem Schritt und diesem unwiderstehlichen Marti-Feldmann-Blick nagelt er seine Gesprächspartner fest und bringt sie zum Sprechen. Töppi hat das erfunden. Er ist der Vater all der Reporter, die direkt nach dem Spielschluß auf den Rasen stürzen, mit laufenden Kameras, geöffneten Mikros, auf der Suche nach Sehschlitzen in die Innenwelt der Berufsfußballer.

Aber er war nicht nur als erster am Spielfeldrand, er hat während des Spiels die Kamera auf die Trainerbänke richten lassen, Stimmen aus den Pressekonferenzen in seine Berichte eingebaut, neue Kamerapositionen gesucht, und damit die Chronologie der 1:0-Berichterstattung aufgebrochen. Er hatte sich im Aktuellen Sportstudio konsequent der Spiele angenommen, die die meisten schon in der Sportschau gesehen hatten. Anstatt diese Dubletten als normale Spielberichte einfach zu wiederholen, hat er das Instrumentarium entwickelt, durch den Fußball erst zu diesem bunten Fernsehspaß geworden ist, mit all den wunderbaren Narreteien, die einem die Wochenenden so schön versüßen.

Heute ist das schon Standard. Aber Töppi ist immer noch vorneweg. Nicht nur weil er alle kennt und seine Reisen durchs Land ihn zu mancher Privatfeier von Spielern und Trainern führen. Wenn er mal etwas größer ins Blickfeld der Kamera gerät, erkennt man seine Geheimwaffe. Unter dem Arm trägt er eine dicke Mappe, gefüllt mit bestem Herrschaftswissen aus seinem gut gepflegten Privatarchiv.

Am Abend wird der Fernsehzuschauer mit solch phantastischen Informationen versorgt, daß - ich deliriere einmal - Bayern München zum ersten Mal seit 14 Monaten wieder ein Spiel unter Flutlicht verloren hat, daß Werder Bremen seit der Hinserie der Saison 64/65 nicht mehr zwölf Auswärtstore in vier aufeinander folgenden Spielen geschossen hat oder daß der Spieler, den wir gerade sehen, noch am vorangegangenen Wochenende in der Amateurmannschaft seines Vereins in der 64. Minute den 1:0-Siegestreffer erzielt hat.

Spätestens dann ist der Moment gekommen, sich stürmisch applaudierend vor dem Fernseher zu erheben und den Moment zu preisen, als vor mehr als funfundzwanzig Jahren in Osterrode im Harz der kleine Rolf Töpperwien verkündete: „Ich werde Fußballreporter!“ Beruhigt nehmen wir zur Kenntnis, daß beim heute 39jährigen auch das Studium der Germanistik, Publizistik und Politik keine bleibenden Schäden hinterlassen haben. Zu loben ist die Sportredaktion des ZDF, die ihm als einzigem Redakteur erlaubt hat, nur Fußballreporter zu sein und ihn weit über 500 Fußballspiele berichten zu lassen.

Aber dann ist er schon wieder unterwegs. Irgendwo wird ja auch fast immer ein Fußballspiel angepfiffen.

Christoph Biermann Siehe auch Interview, Sportseite

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