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Bündnis 90: Global denken - lokal handeln!

Bürgerbewegungen präsentieren sich für die Volkskammerwahlen / Das älteste Wahlbündnis der DDR / Alternative zum bundesdeutschen Parteienspektrum / Kritik an Anschlußplänen / Chance zur demokratischsten Verfassung der deutschen Geschichte  ■  Aus Berlin Walter Süß

Im Ostberliner „Haus der Demokratie“ hat sich gestern das „Bündnis 90“ vorgestellt. Obwohl es erst jetzt in dieser Form an die Öffentlichkeit getreten ist, kann dieses Wahlbündnis von Bürgerrechtsorganisationen doch für sich in Anspruch nehmen, das mit weitem Abstand älteste zu sein, das für die Volkskammer zur Wahl steht. Es wurde bereits am 4. Oktober 1989 geschlossen - Honecker war noch im Amt, und die Jubelfeiern zum 40. Jahrestag der DDR, die zur offenen politischen Krise führen sollten, standen bevor. Damals hatten Vertreter verschiedener neu entstandener Bürgerrechtsorganisationen - Neues Forum, Demokratie Jetzt und die Initiative für Frieden und Menschenrechte - nach einer streng konspirativen Sitzung eine Erklärung herausgegeben, in der „freie Wahlen“ gefordert und ein „Wahlbündnis“ in Aussicht genommen wurde. Andere, die damals auch dabei waren, haben sich seither in Parteien umgewandelt: die Sozialdemokraten und der mittlerweile konservative „Demokratische Aufbruch“.

Die drei im Bündnis zusammengeschlossenen Bürgerrechtsorganisationen wollen die Impulse der Herbstrevolution in der DDR bewahren. Keiner war besser geeignet, dieses Projekt vorzustellen, als Hans-Jürgen Fischbeck von „Demokratie Jetzt“. Er, der damals noch Mitglied der innerkirchlichen Gruppe „Absage an Prinzip und Praxis der Abgrenzung“ war, hatte am 13. August als erster öffentlich dazu aufgerufen, daß sich die verschiedenen Oppositionsbewegungen angesichts der Ausreisewelle zusammenschließen müßten und mit einer Teilnahme an den nächsten Wahlen der DDR-Bevölkerung eine neue Perspektive eröffnen sollten. Fischbeck betonte in seiner Einführungsrede, daß das Bündnis „nicht links, nicht rechts“ sei, da es keinen ideologischen Ansatz habe, sondern von „ethischen Wurzeln“ ausgehe: dem Ziel der demokratischen und solidarischen Gesellschaft. Das Bündnis verschließt sich nicht dem Streben zu einem deutschen Staat - „Demokratie Jetzt“ hatte dafür bereits im Dezember einen Stufenplan vorgelegt -, doch seine Initiatoren beharren darauf, daß dies ein Aufeinanderzugehen im europäischen Rahmen zu sein hat.

Neben der Betonung der europäischen Verantwortung der Deutschen macht die Besonderheit dieser Position aus, daß die Bürgerrechtsorganisationen in dem Einigungsprozeß eine Chance sehen, zu einer Demokratisierung der Verhältnisse in ganz Deutschland zu kommen. Wolfgang Templin und Minister Gerd Poppe forderten eine neue Verfassung, die aus einer breiten demokratischen Diskussion hervorgehen müßte und für die sie eine Verankerung „sozialer Verteidigungsrechte“ ebenso einklagen wie den Schutz der Natur und die endgültige Anerkennung der polnischen Westgrenze. Daher fordert das Bündnis auch eine Garantie für die sozialen Rechte der DDR -Bürger, etwa auf ihre Mietwohnungen oder den von ihnen bebauten Boden. Bei einer „sofortigen Währungsunion“, fürchten sie, werde die (ehemalige) DDR zum „Armenhaus der Bundesrepublik“ werden. Ihre Alternative heißt demokratisch strukturierte und ökologisch eingebundene Marktwirtschaft.

Den BürgerInnen der DDR will das „Bündnis 90“ seine Vorstellungen erstmals auf einer Großveranstaltung in Schwerin am 23. Februar nahebringen.

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