: Neues Umweltrecht als „Mogelpackung“
■ Scharfe Kontroversen im Bundestag zum neuen Umweltrecht / Kabinett billigte Engelhards Entwürfe / Verabschiedung des Gesetzes noch vor den Bundestagswahlen geplant / SPD: Wirtschaftslobby der Union verhindert wirkliche Fortschritte im Umweltstrafrecht
Berlin (taz/ap/dpa) - Als „Machwerk“ und „Mogelpackung“ hat die Bonner Opposition gestern das neue Umwelthaftungsrecht bezeichnet. Sowohl die Grünen als auch die FDP kritisierten die Eile, mit der die Gesetzentwürfe durch die parlamentarischen Beratungen getrieben würden. Die Koalitionsparteien und die SPD sind sich einig über die grundsätzliche Notwendigkeit einer Verschärfung des Umweltstrafrechts aus dem Jahre 1980. Bei der ersten Beratung der entsprechenden Gesetzentwürfe zeigten sich im Bundestag aber scharfe Gegensätze zwischen Koalition und Opposition.
Als Kernpunkt des reformierten Umweltrechts nannte Justizminister Engelhard (FDP) die Anhebung der Höchststrafe für besonders schwere Umweltdelikte auf zehn Jahre, auch wenn keine konkrete Gefährdung von Menschen vorlag. Künftig sollen Bodenvergifter verfolgt, der gängigen Praxis gefährliche Abfälle als Wirtschaftsgüter zu tarnen - soll ein Riegel vorgeschoben werden. Auch dem illegalen Abfalltourismus soll das Gesetz den Garaus machen.
Der SPD-Politiker Hermann Bachmaier sagte, zwar würden immer mehr Delikte von den Behörden erfaßt, der prozentuale Anteil der Verurteilungen gehe aber zurück. Zudem bewege sich das Strafmaß im untersten Bereich. Der FDP-Politiker Rainer Funke erklärte, im Umweltstrafrecht sollten wesentliche Lücken geschlossen werden. Es dürfe nicht mehr hingenommen werden, daß unverantwortliches Handeln sich lohne. Umweltstrafrecht sei auch ein „Schutz vor unlauterer Konkurrenz“, meinte der Abgeordnete. Außerdem solle für besonders schwerwiegende Taten die Verjährungsfrist entfallen.
Bachmaier nannte den Gesetzentwurf dagegen „blanken Hohn“. Der Löwenanteil der Umweltschäden sei nicht erfaßt, weil sogenannte Summations- und Distanzschäden beispielsweise an Wäldern und Gebäuden ausgespart seien. Die registrierten Umweltverstöße machen zwar nur 0,5 Prozent aller Straftaten aus. Die absolute Zahl stieg jedoch von 2.321 Verstößen im Jahr 1973 auf 21.116 im Jahr 1988. Viele Verfahren müssen eingestellt werden, weil die Verstöße konkreten Verursachern nicht nachgewiesen werden können. Die Zahl der Verurteilungen stieg lediglich von 691 (1975) auf 2.326 (1988).
Die SPD bemängelt weiterhin, daß der Koalitionsentwurf keine verstärkten Möglichkeiten zur Abschöpfung der durch Umweltschädigung erlangten Gewinne vorsieht. Bachmaier wirft der Wirtschaftslobby der Union vor, daß sie wirkliche Fortschritte im Umweltrecht verhindere. Gerald Häfner von den Grünen bezeichnete die Umweltschutzbemühungen als halbherzig. Sie seien nicht geeignet, die dramatisch fortschreitende Zerstörung der Umwelt einzudämmen.
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