Hauptsache Krieg

■ Auch Männer sind sterblich. Nur im Kino nicht. Und schon gar nicht in Oliver Stones „Geboren am 4. Juli“

Der Anfang ist eine Rückblende. Der kleine Ron Kovic (Tom Cruise), Geboren am 4. Juli und später Vietnamsoldat, spielt mit seinen Freunden im Wald. Krieg, was sonst. Die feindliche Mannschaft knallt ihn ab. „Ronnie, du bist tot“, schreit einer der Jungs, immer wieder. „Nein, bin ich nicht, bin ich nicht“, schreit Ronnie zurück.

Am Ende sitzt er querschnittgelähmt im Rollstuhl, hat endlich begriffen, daß der Vietnamkrieg ein Fehler war wegen der Frauen und Kinder, die er erschießen mußte und wegen der Ratten im Hospital - und zieht wieder in den Kampf, diesmal gegen die Kriegsbefürworter. „Los, wir stürmen die Versammlung“, brüllt er vom Rollstuhl aus, mit geballter Faust und in demselben schnarrenden Befehlston, den er vorher in Vietnam draufhatte. Nicht totzukriegen, dieser Typ. Männer müssen eben kämpfen. Hauptsache Krieg.

Natürlich behauptet Oliver Stone, auch dies sei ein Antikriegsfilm, und es sei daher seine „Pflicht, den Krieg zu zeigen, so realisisch wie möglich“. Daß der ganze Vietnamkrieg bei Sonnenuntergang stattfand, war mir bisher nicht bekannt. Stone zu den Kriegsszenen: „Es waren die schwierigsten Szenen, ich habe es ungern getan, es machte keinen Spaß.“ Er erzählt vom Kampf für diesen Film, von der Schlacht, die er und Drehbuchautor Ron Kovic - dessen wahre Geschichte der Film erzählt - zu gewinnen hatten, den Schwierigkeiten, die zu überwinden waren.

Zwei Stunden Materialschlacht, mit massenhaft Statisterie und bombastischer Filmmusik, Ekel und Grausamkeit. Ein gigantischer Aufwand, nur damit wir am Ende mit Tränen in den Augen das Kino verlassen und wissen, was längst jedes Kind weiß: daß der Vietnamkrieg ein Fehler war. Was noch entschuldbar wäre, schließlich gibt es Wahrheiten, die man nicht oft genug wiederholen kann.

Aber es ist schlimmer. Ron Kovic, der Held, ist Kriegsveteran, ein Krüppel, also Opfer. Die Täter, das ist das System, Kennedy und Nixon, der Staat. Die Soldaten sind keine Mörder, sondern verführte Unschuldige. Die Polizisten jedoch, die Ron später bei der Anti-Vietnam-Demo verprügeln werden, bleiben anonyme Uniformträger. Dabei sind sie genauso jung und vielleicht auch verführte Unschuld. Nach Stones Logik zumindest. Der naheliegendere Gedanke, daß Ron, wenn er dahinten in Asien nicht versehentlich ein paar Kugeln abbekommen hätte, vermutlich einer der Polizisten geworden wäre, kommt Stone nicht einmal in den Sinn.

Als Kriegsgegner zählen nur die, die mal im Krieg waren. Einer der Schulkameraden von Ron kann die Begeisterung für die Marine-Truppen nicht verstehen. Er will nicht in den Krieg, er könnte ja getötet werden. Die denkbar vernünftigste Ansicht in Sachen Vietnamkrieg. Aber Stone denunziert die Figur. Im Film wird aus dem Jungen ein mieser kleiner Geschäftemacher, der in seinem Fast-Food-Restaurant die Kundschaft übers Ohr haut.

„Ich bin kein Pazifist“, sagt Oliver Stone auf der Pressekonferenz. „Das Kriegsrecht, das gilt, ist das Recht auf Selbstverteidigung. Wir brauchen eine starke Verteidigung“. Wenn ich George Bush wäre, ich würde Oliver Stone als PR-Mann einstellen. Der Sieg wäre ihm sicher.

Christiane Peitz

Oliver Stone „Geboren am 4. Juli“, USA, 144 Minuten