: Q U E R S P A L T E Make Love not War
■ Imhausen Chemie versorgte die Welt nicht nur mit Giftgas, sondern auch mit Liebe
Eine erstaunliche Entdeckung brachte im vergangenen Jahr die Durchsuchung der Firma Imhausen Chemie in Lahr. Die Fahnder, die eigentlich nach Beweisen für den Bau einer Giftgasfabrik in Libyen gesucht hatten, fanden beachtliche Mengen eines ominösen Pulvers, das sich als MDMA entpuppte. Hinter dieser poetischen Bezeichnung verbirgt sich nichts anderes als die „Liebesdroge“ XTC (Ecstasy), wegen deren weltweitem Vertrieb nun zwei Imhausen-Mitarbeiter sowie zwei US-Bürger angeklagt wurden. Die Droge bewirkt, wie die Nachrichtenagentur 'dpa‘ bezaubernd schlicht formuliert, eine Senkung der „Hemmschwelle zum intimen Gespräch“ und unterstützt bei Männern „die Fähigkeit zu ruhigem und langanhaltendem Körperkontakt“.
170 Kilogramm dieses wundersamen Mittels wurden nach Meinung der Staatsanwaltschaft allein im September 1988 bei Imhausen hergestellt und 1,3 Millionen Pillen unter die Liebenden Westeuropas gebracht. Wie viele nach Libyen gelangt sind, blieb, wie so vieles in Sachen Imhausen, im dunkeln. Man wird wohl die nächsten Staatsbesuche des Obersten Gaddafi abwarten müssen, um Genaueres über eine eventuell gesteigerte Intimität seiner Konversation erfahren zu können. Unbestritten dürfte jedoch sein, daß Imhausen das erste in Rüstungsgeschäfte verstrickte Unternehmen ist, das den alten Hippie-Slogan „Make Love Not War“ praktisch umgesetzt hat. Eine Pioniertat, die in den Zeiten militärischen Tauwetters durchaus eine Revolution oder gar Wende auf dem Rüstungssektor bewirken könnte. Schließlich ist es nicht damit getan, Truppenübungsplätze in Sondermülldeponien oder Kasernen in Übersiedlerheime umzuwandeln, auch die gigantischen Potentiale der Rüstungsindustrie müssen in nutzbringende Bahnen gelenkt werden. Und, bei aller Liebe, die Forderung „Schwerter zu Pflugscharen“ kann heutzutage wahrscheinlich nicht mal mehr Petra Kelly entzücken.
Was liegt also näher, als die geballte Kraft der waffenschmiedenden Multis in schöner christlicher Tradition der Nächstenliebe zugute kommen zu lassen. Messerschmidt -Bölkow-Blohm wird internationaler Marktführer auf dem Liebesperlensektor, Siemens eröffnet eine Nashorn -Zuchtstation im Krüger-Nationalpark, und das Kartellamt kann sich schon mal auf eine potentielle Fusion von Daimler -Benz und Beate Uhse einrichten.
Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen