: Krupp-Atlas simuliert Leo-Krieg
■ Elektronik-Firma lud zur Panzer-Simulation / „Unwägbarkeiten der Technik beseitigen“
„Naturgemäß fällt es dem Techniker etwas schwer, sich mit dem Menschen zu befassen. Aber das ist beim Simulator unvermeidlich“, sagt Hermann Hattermann, Abteilungsleiter Entwicklung von Simulationssystemen bei Krupp Atlas Elektronik (KAE). Gestern führte Hattermann eines der neueren Projekte aus dem Hause KAE vor: einen Panzer -Simulater für den Leo 2.
JournalistInnen und einige uniformierte Vertreter der Bundeswehr waren gekommen, sich dies Wunderwerke der Technik vorführen zu lassen: Eine meterlange Computer-Wand steuert 2,5 Millionen Bildpunkte auf einer geknickten Großleinwand, auf der ein 180 Grad-Panorama-Bild eine leicht stilisierte Landschaft entstehen läßt. Alle Facetten und Perspektiven sind gespeichert und je nach Bewegung des Panzers oder Flugzeuges, in dem der Mensch übt, stellt sich die Landschaft in neuen Proportionen dar. Die Kunst des Simulierens liegt darin, daß die menschliche Wahrnehmung der grafischen Darstellung „realistische“ Eindrücke entnimmt. Drei „Flughöhen“ stehen für die Hubschrauber zur Verfügung, die mit 2-300 km/h im Tiefflug zwischen Fichtenwäldern und Strommasten hindurchfliegen. Lautsprecher übertragen Fahrgeräusche und die Kanonenschläge, Häuser brennen, Rauchpilze steigen auf - eine Art Feldzug gegen die Zivilbevölkerung zeigt die Simulation.
Die Militärs sind nicht nur be
geistert von den Möglichkeiten der Technik, denn die mannhafte Ausbildung im Felde könnte zusammengestrichen werden: 400 Millionen Mark für Munition und Unterhaltung kostet die Bundeswehr die Ausbildung an den Panzern jährlich. 330 Millionen würde es kosten, die gesamte Bunderwehr mit Simulatoren fürs Panzerfahren-Üben auszustatten. Die Kostenrelationen scheinen zwingend - für die Truppenübungsschule Munster hat die Bundeswehr erst einmal vier „Kampfräume“ geordert. Bestellt wurde allerdings die einfache Version ohne den Super-Bildschirm allerdings, der den vollkommenen Blick aus der Luke mitliefert. Und um diesen Zusatzservice den Militärs schmackhaft zu machen, waren auch die Bundeswehr-Offiziere zur Pressevorführung geladen.
Am Computer hatten die Offiziere Probleme mit der Führung der Helikopter - wußte doch der Kollege in Uniform mit der „Maus“ nichts anzufangen. In die Luke des nachgebauten Leo verschwanden sie um so behender. „Brauchen Sie Hilfe“, fragte der Entwicklungsleiter Hattermann in die Luke, als die Bundeswehr -Offiziere nicht wieder auftauchen wollten. Sie brauchten keine Hilfe, und Hattermann war zufrieden über das Interesse, das seine Vorführung erregte.
Die Technik der Simulation, betont Pressesprecher Brandes, kann viel Gutes bewirken. KAE bietet derzeit schon eine breite
Palette von zivilen Anwendun gen. So könnten LKW-Fahrer trainiert werden - ein Programm für die „Straße“ ist schon vorhanden, für die Meeres -Überwachung ist ein Simulations-Programm in Arbeit. Ein Großteil der Tiefflug-Übungen könnte demnächst überflüssig werden, in AKW-Simulatoren könnten Störfälle geprobt werden, an denen in der Realität kein Steuermann üben kann. Aber die Finanzierung der technologischen Entwicklungen sind aus den Erlös-Erwartungen ziviler Produkte
derzeit kaum denkbar.
Die Elektronik-Firma versucht dennoch, ihr Image von den Militäraufträgen zu befreien und auf den allgemeinen gesellschaftlichen Nutzen der Simulations-Technologie hinzuweisen. Technologien lösen Ängste aus, „typische Beispiele sind die Kernenergie und die Gentechnik“, schreibt der PR-Mann Brandes. „Für die Zukunft ist es durchaus denkbar, daß mit Hilfe der Simulation die Unwägbarkeiten dieser Entwicklungen beseitigt werden können.“
K.W.
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