: Bundesbank will Währungs- union und warnt vor ihr
■ Angst vor Zinserhöhung / Friedenspolitisches Erwachen
Berlin (dpa/ap/taz) - Die Bundesbank denkt zunehmend politökonomisch - und widersprüchlich. Nachdem sich Präsident Karl-Otto Pöhl noch vor Wochenfrist für eine deutsch-deutsche Währungsunion besonders stark gemacht hatte, warnt sein Haus im jüngsten Monatsbericht wiederum vor den Gefahren, die sich aus der Entwicklung zur Wiedervereinigung und insbesondere aus der Währungsunion ergeben könnten: „Die Ungewißheiten der augenblicklichen politisch-ökonomischen Lage erfordern von der Geldpolitik besondere Wachsamkeit“ heißt es im Februarbericht. Zugleich riefen sie Bund, Länder und Gemeinden zu einer möglichst weitgehenden Zurückhaltung in der Ausgabenpolitik auf.
Sorgen bereitet es der Bundesbank, daß die verarbeitende Industrie und der Kapitalmarkt an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen sind, was zu einer konjunkturellen Überhitzung führen könnte. Erstes Alarmzeichen: Der steile Zinsanstieg in jüngster Zeit. Als Ursache dafür sieht sie „vor allem die möglichen wachstums-, stabilitäts- und kapitalmarktpolitischen Folgewirkungen der politisch in Aussicht genommenen Währungs- und Wirtschaftsunion mit der DDR“. In Frankfurt befürchtet man nun, daß sich die Bundesregierung mit der Ausgabe von Staatsanleihen weit mehr als bisher verschuldet, um die Vereinigung zu finanzieren. Die dadurch weiter steigenden Zinsen könnten zu einem „Crowding out“ der Privatwirtschaft führen: Sie könnten keine Kredite mehr aufnehmen und würden das Wirtschaftswachstum bremsen.
Angesichts der nach langen Boomjahren nunmehr erwarteten erneuten Wachstumsschübe aus dem Osten freut sich die Bundesbank inzwischen aber schon auf die gedämpfte Konjunktur im westlichen Ausland. Von daher würde der Nachfragedruck auf die ausgelastete bundesdeutsche Industrie verringert und es würden Ressourcen frei für Engagements in der DDR, Ungarn und in Polen.
Wer will, darf in eine Passage des Monatsberichtes auch eine ganz andere politökonomische Variante hineininterpretieren und ein friedenspolitisches Erwachen der Frankfurter Währungshüter konstatieren. Sie haben sich in der ihr auferlegten Zurückhaltung etwas verschrobene Gedanken darüber gemacht, an welcher Stelle der zinstreibende Kreditbedarf der Bundesregierung gebremst werden könnte: „Es käme darauf an, bestrebt zu sein, unabweisbare neue Ausgaben, zum Beispiel für die DDR, durch Kürzungen bei anderen Aufgaben zu finanzieren - insbesondere bei solchen, deren Dringlichkeit mit der Öffnung der Grenzen zur DDR und zu anderen osteuropäischen Staaten abgenommen hat.“
Anders sieht es der Macher aus der Privatwirtschaft. Der Chef-Volkswirt der Dresdner Bank, Ernst-Moritz Lipp, sieht überhaupt kein Problem für den bundesdeutschen Kapitalmarkt, wenn es gilt, die DDR-Wirtschaft zu sanieren. Im Westen gebe es genügend Sparkapital dafür. Von den 190 Milliarden Mark, die im vergangenen Jahr von den BundesbürgerInnen und -unternehmerInnen zusätzlich gespart wurden, sei nur ein geringer Betrag in Anspruch genommen worden. Voraussetzung dafür, daß Kapital langfristig in der DDR investiert werde, sind nach Ansicht Lipps die (vielzitierten) „Rahmenbedingungen“. Wichtigster Punkt: geordnete Währungsverhältnisse - sprich feste Kurse.
ulk
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