piwik no script img

Stoltenberg war Pate bei dem U-Boot-Geschäft mit Südafrika

Bundesminister Stoltenberg hat über Jahre das kriminelle U-Boot-Geschäft mit dem Rassistenstaat aktiv begünstigt / Staatssekretär und untergebener Abteilungsleiter durften „im Auftrag“ die Schmutzarbeit leisten  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Bundesminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat im illegalen U -Boot-Geschäft mit Südafrika nicht nur Strafvereitelung im Amt bei der Aufklärung betrieben, sondern das kriminelle Geschäft mit seinen Helfern Staatssekretär Tietmeyer und Abteilungsleiter Schmutzer mehrfach begünstigt haben. Außerdem hat der jetzige Verteidigungsminister über seine Aktivitäten wiederholt die Unwahrheit gesagt. Belastet wird Stoltenberg unter anderem durch Staatssekretär Tietmeyer, der zugibt, daß er „nach Rücksprache mit Bundesminister Stoltenberg und mit seiner Zustimmung“ den Vorstand der Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) vor der Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens und einer möglichen Durchsuchung gewarnt hat.

Gerhard Stoltenberg war als einer der ersten Mitglieder der Bundesregierung übers U-Boot-Geschäft informiert. Bereits im Juni 1983 wurde er als damaliger Finanzminister und Verwalter des Bundesvermögens vom Aufsichtsrat des staatseigenen Salzgitter-Konzerns über das Südafrika-Projekt der Tochter HDW eingeweiht; zuerst mündlich, kurze Zeit später auch schriftlich. Gegenüber dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß gab Stoltenberg Ende 1986 allerdings an, er habe erst sehr viel später (1984 oder 1985) davon erfahren - zu einem Zeitpunkt also, wo HDW bereits mit den Lieferungen begonnen hatte. Eine klare Lüge, wie später zufällig aufgefundene schriftliche Unterlagen belegen. Stoltenberg sorgte auch dafür, daß die im November 1985 eingeleiteten Ermittlungen - die Firmen hatten sich selbst angezeigt, um Rückendeckung der eingeweihten Bundesregierung zu erzwingen - ausschließlich gegen das der HDW zuarbeitende Planungsbüro Ingenieur-Kontor Lübeck (IKL) gerichtet wurden, wie es im Befehl an die weisungsgebundene Kieler Oberfinanzdirektion (OFD) hieß. Ermittlungen gegen HDW wurden dagegen erst über ein Jahr später, im Dezember 1986, zugelassen. Dabei war im Schreiben des damaligen Vorstandsvorsitzenden von HDW, Ernst Pieper, ausführlich die federführende Beteiligung von HDW an dem Geschäft aufgeführt.

Daß sich Stoltenberg sehr wohl über die Beteiligung HDWs im klaren war, belegt auch die von Staatssekretär Tietmeyer auf Weisung des Ministers getätigte Warnung an das Unternehmen. Außerdem war auch Tietmeyer seit dem Sommer 1983 nachweislich über das Geschäft mit dem Apartheidregime informiert, welches nach dem Außenwirtschaftsgesetz und dem UN-Waffenembargo gegen Südafrika verboten ist. „Ich habe es nicht gewußt“, behauptete Tietmeyer dennoch im Februar 87 vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß auf die Frage, ob er von der gemeinsamen Beteiligung von IKL und HDW Kenntnis hatte.

Die Stoltenberg-Anweisung an die OFD - geleitet von seinem alten Freund Hansen -, ausdrücklich nur gegen IKL zu ermitteln, brachte HDW ein Jahr Zeitgewinn für die Abwicklung des illegalen Geschäfts. So konnte nicht nur die Übergabe der U-Boot-Pläne abgeschlossen werden, sondern es konnten auch unbehelligt Schweißanlagen und spezieller U -Boot-Stahl nach Südafrika geliefert sowie der HDW -Fertigungsleiter Rademann nach Südafrika „ausgeborgt“ werden. Auch ein Treffen mit den Südafrikanern über die Abwicklung des Geschäfts konnte in Paris ungestört über die Bühne gehen.

Damit endete Stoltenbergs Einsatz für das Unternehmen nicht: Dokumentiert sind zahlreiche Eingriffe in die Ermittlungen der OFD. So heißt es im dem von der taz Fortsetzung Seite 2

FORTSETZUNG VON SEITE 1

veröffentlichten, bislang geheimen Bericht eines Beamten des Finanzministeriums: „Ermittlungen der OFD sind nicht ergiebig gewesen, weil entweder das 'Können‘ fehlte oder/und an die Sache mit einer bestimmten Einstellung herangegangen wurde.“ Rechtliche Würdigungen mußte die OFD umschmeißen, nachdem die Bonner Chefs eingriffen. So heißt es im Geheimbericht zu einem Rechtsgutachten: „Diese Stellungnahme scheint hier mit einer bestimmten 'Vorgabe‘ erstellt worden zu sein. Sie ist unmittelbar erstellt worden, nachdem zuvor

vom BMF (Bundesministerium für Finanzen; d.Red.) telefonisch bei der OFD angefragt worden war.“ Belegt ist auch, wie die Amtsleitung des OFD nach Bonn zitiert wurde, nachdem die sich erdreistete, gegen HDW und IKL ein - angesichts von gezahlten 42 Millionen DM - Minibußgeld von je 50.000 DM erheben zu wollen. Das war den Firmen nicht recht - sie forderten Freispruch und drohten, die Verwicklung der Bundesregierung offenzulegen.

Die schmutzige Kleinarbeit war die Aufgabe des zuständigen Abteilungsleiters im Finanzministerium, Dr. Schmutzer. Er teilte dem stellvertretenden OFD-Leiter Radomski am 9. Dezember 1986 unmißverständlich mit, er habe seine Rechts

auffassung zu korrigieren. Ministerialdirektor Dr. Schmutzer habe erklärt, „daß das so nicht ginge, das müsse man sich noch mal überlegen“, heißt es plastisch in einer späteren Stellungnahme aus der Oberfinanzdirektion. Derselbe Dr. Schmutzer teilte der auf Kurs gebrachten OFD Ende 1987 „im Auftrag“ mit, das Ministerium habe gegen die Einstellung des Verfahrens gegen HDW und IKL „keine Einwendungen“. Dem Ministerium war zu diesem Zeitpunkt der brisante Geheimbericht mit zahlreichen Hinweise auf die Fortführung des Geschäfts und dessen dringliche Empfehlung, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, bekannt. Allein Dr. Schmutzer soll den Bericht

„geprüft und bewertet“ haben, ist nun Stoltenbergs letzte Verteidigungslinie: Schließlich riskiert der Abteilungsleiter fünf Jahre Haft für eine Strafvereitelung im Amt.

Stoltenberg selbst setzte seinen Einsatz für HDW auch nach dem Wechsel ins Verteidigungsministerium fort: Als es um mögliche staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Geheimnisverrats im Zusammenhang mit dem Südafrika-Geschäft ging, wurde er erneut aktiv. Auf einer interministeriellen Besprechung am 24. Mai 1989 war es der Vertreter des Verteidungsministeriums, der sich am vehementesten dagegen aussprach, vermerkt das Protokoll. Mit Erfolg: Die Ermittlungen unterblieben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen