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Der Fall Winnie Madikizela Mandela

Mit der Freilassung Nelson Mandelas scheint auch Winnie Mandela rehabilitiert / Vor einem Jahr war sie wegen der „Mandela-Fußballklub„-Affäre von der Opposition politisch exkommuniziert worden / Prozeß gegen einige Mitglieder im Mai  ■  Von Andrea Seibel

Sie ist wieder da: Ein Jahr, nachdem Winnie Madikizela Mandela von der südafrikanischen Opposition politisch „exkommuniziert“ wurde, hat sie die politische Bühne nochmals erklommen - nun an der Seite ihres Mannes. Nelson Mandela ist es ab jetzt, der im Rampenlicht steht. Damit wird sie leben müssen. Doch die Vergangenheit ist noch lange nicht begraben. Dafür sorgt die südafrikanische Justiz, die just zum Zeitpunkt der Freilassung Nelson Mandelas den Prozeß gegen einige Mitglieder des „Mandela United„ -Fußballklubs - Leibwächter Winnie Mandelas - wegen Mordverdachts, Entführung und Körperverletzung in Johannesburg ansetzte. Dann wurde der Termin auf vergangenen Donnerstag verschoben, und am Wochenende wurde bekannt, man werde Anfang Mai das Verfahren eröffnen. Winnie Mandela steht zwar nicht unter Anklag; sollte sie vor Gericht als Zeugin aussagen müssen, könnte dies heikel werden.

Vor genau einem Jahr stürzte der „Fall“ Winnie Mandela die Oppositionsbewegung in eine schwere Krise. Ende Januar 1989 brachte ein Bericht der linksliberalen Wochenzeitung 'Weekly Mail‘ den Stein ins Rollen. Danach soll der „Mandela Fußballklub“, eine Gruppe militanter Jugendlicher unter den Fittichen Winnie Mandelas, im Dezember vier Jugendliche, darunter den 14jährigen Stompie Seipei, aus einem Kirchenzentrum in Soweto entführt und mißhandelt haben. Die vier sollten gestehen, daß sie von einem weißen Priester sexuell mißbraucht worden waren. Drei Jugendliche konnten aus dem Haus Mandelas fliehen, Stompie Seipei blieb verschwunden. Seine Leiche, so stellte sich heraus, war zwar schon am 6. Januar mit durchschnittener Kehle gefunden worden, wurde aber erst Mitte Februar von seiner Mutter identifiziert. Erschwerend kam noch hinzu, daß der letzte Augenzeuge, der Stompie Seipei nach Aussagen der anderen Jungen lebend im Haus Winnie Mandelas gesehen hatte, der Arzt Dr.Abu-Baker Asvat, am nächsten Tag in seiner Praxis von zwei Unbekannten erschossen worden war. Die gelernte Sozialarbeiterin Winnie Mandela hatte die ungefähr 30 arbeitslosen Jugendlichen nach Verhängung des Ausnahmerechts 1986 von der Straße geholt. In ihren Erklärungen zu dem Fall verstrickte Winnie Mandela sich jedoch in Widersprüche. Noch am 22.2.89 behauptete sie in einem taz-Interview, der vermeintlich ermordete Junge würde „wieder auftauchen“ und sie hätte von den Vorgängen in ihrem Haus nichts gewußt. Sie setze alle Hoffnungen auf ein Gerichtsverfahren - und das im Apartheidstaat!

Niemand unterstützte sie mehr. Die Bevölkerung Sowetos hatte schon im Herbst 1988 ein „Mandela-Krisen-Komitee“ gegründet, um den Alleingängen der Frau Mandelas Einhalt zu gebieten, die seit ihrer Rückkehr aus der Verbannung 1985 machte, was sie wollte. Das brutale Auftreten der „Fußballklub„-Kids, denen auch Vergewaltigung vorgeworfen wurde, war schon lange kritisiert worden, im August steckte man aus Protest Winnie Mandelas früheres Haus an. Es gab Stimmen, die ihr verbieten wollten, sich weiter „Mandela“ zu nennen. Am 16.Februar distanzierte sich die Opposition öffentlich von ihr - ein einmaliger Vorgang. Der ANC wie auch Nelson Mandela wurden davon kalt erwischt und versuchten den politischen Schaden zu begrenzen. Man solle Winnie Mandela nicht ganz ausstoßen, sondern ihr bei der Integration helfen, so die milde Erklärung des ANC. Patriarch Mandela befahl ihr aus dem Knast heraus die sofortige Auflösung des „Fußballklubs“ und Subordination.

Doch bevor sie für beinahe ein Jahr von der Bildfläche verschwand, wurde sie noch von der Presse - sicherlich zur Freude Pretorias - symbolisch zu Grabe getragen. Die Berichte ähnelten sich alle: Vom „tiefen Fall“ der „schwarzen Evita“, der „African Queen“, vom Ende der „Mutter der Nation (Mama Wetu)“, vom „Gang in die Selbstdestruktion“ war die Rede. Und alle markierten die gleichen Stationen des Niederganges: Da war einmal ihre Äußerung 1986, Südafrika werde sich durch die „necklaces“ (in Öl getränkte Gummireifen, die man vermeintlichen Kollaborateuren um den Hals hängt und ansteckt, d. Red.) seinen Weg in die Freiheit „brennen“. Da wurde der Bau einer Villa im Schwarzenghetto Soweto als unklug bezeichnet und ihr Finanzgebaren im Kontext des Mandela-Geburtstagskonzerts in London 1988 als geldgeil kritisiert.

Vergessen, daß die heute 52jährige eine allzuschwere Bürde zu tragen hatte. Von ihrem Mann hatte sie nicht viel mehr als zwei Kinder, ansonsten war sie 30 lange Jahre allein. Bevor die Weltöffentlichkeit sich Ende der Siebziger für die politische Situation am Kap überhaupt zu interessieren begann, war sie alleinige Vermittlerin Mandelas zur Außenwelt und mußte sich als „Mum Winnie“ auch um das Auskommen der großen Familie (u.a. Kinder Mandelas aus erster Ehe) kümmern. Ständig selbst vom Apartheidstaat schikaniert und terrorisiert, versuchte das Regime, sie nach den Schülerunruhen in Soweto 1976 endgültig aus dem Verkehr zu ziehen und verbannte sie in das abgelegene Burenkaff Brandfort. Doch dort brach sie nicht zusammen. Sie hielt durch und sandte von Brandfort aus bedeutende Signale in die Welt.

Mit ihrer Rückkehr nach Soweto 1985 begannen die Probleme. Sie wollte sich nicht in die Oppositionsstrukturen integrieren. Schließlich war sie eine Mandela, deswegen hatte sie jahrelang zu leiden. Fatal, daß sie nicht die Balance zwischen individuellen Bedürfnissen und öffentlicher Verantwortung halten konnte. Mehr und mehr galoppierte ihr Individualismus davon. Anfänglich war die Vertreterin Nelson Mandelas besonders bei der Jugend beliebt, da sie ähnlich rebellisch und emotional war. Wurden Jugendliche aufgrund ihrer politischen Aktivitäten zum Tod verurteilt, war es Winnie Mandela, die ihnen und den Familien beistand. Das hat man nicht vergessen. Doch sie begriff nicht die während ihrer Verbannungszeit gewachsenen basisdemokratischen Strukturen der Opposition im Land. Die wollte keine „Führerin“, und erst recht keine selbsternannte. Dennoch: Sozialrevolutionäre Bewegung brauchen ExponentInnen, Leitfiguren die das Leid der ungenannten, vielen anderen verkörpern und zugleich überwinden helfen. Nelson Mandela, all die Jahre im Knast auch sehr um den Zusammenhalt seines Familienclans bedacht, hielt trotz aller Unbillen zu seiner Frau und verstieß sie auch dann nicht, als die Wogen am höchsten schlugen. Der Mann des Kompromisses, in den immense Hoffnungen gesetzt werden, ahnt, welches Prestige sie unter der militanten Jugend immer noch genießt. Und der Stratege Mandela weiß, was Zusammenhalt in einem System bedeutet, das alles notorisch trennt.

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