: Selbstbedienung im Mainzer Landtag
■ In einer Nacht- und Nebelaktion erhöhten sich CDU, SPD und FDP die Wahlkampfpauschale um ein Viertel / Der Bund der Steuerzahler hält die Mehrung der Pfründe für verfassungswidrig
Mainz (taz) - Der Bund der Steuerzahler (BdS) sieht in der Neuregelung der Wahlkampfpauschale des Mainzer Landtags einen Verstoß gegen die Verfassung. Nach Informationen der taz wollen auch Rechtsexperten der Speyerer Verwaltungshochschule die umstrittene Neuregelung unter die Lupe nehmen.
BdS-Geschäftsführer Peter Pferdekemper erklärte, die etablierten Parteien hätten die Landtagspauschale für Wahlkampfkosten „verfassungswidrig an die Wahlpauschale des Bundes gekoppelt“ . Wenn Bonn sich den Bundespauschbetrag erhöht, füllen sich künftig auch die Kassen der Mainzer Parteien. Eine solche Praxis ist laut Pferdekemper bereits früher vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden. Überdies enthalte die Neuregelung keine Bestimmung für den Fall, daß es mal vorzeitig Neuwahlen gibt. Pferdekemper: „Dann gewähren sich die Parteien die Pauschale wohl gleich zweimal.“
In der Tat langen die Rheinland-Pfälzer Parteien kräftig zu. Künftig wollen sie pro Wahlberechtigtem ein Viertel mehr einstreichen: 6,25 statt bisher 5 Mark. Den Steuersäckel belastet dies mit fast 18 Millionen Mark - annähernd 4 Millionen mehr als zuvor. Pferdekemper: „Da zeigt sich die Selbstherrlichkeit der Herren und Damen Abgeordneten.“ CDU, SPD und FDP verteidigen die Mehrung ihrer Pfründe einhellig. Künftig, so ihre Argumentation, dauere eine Landtagsperiode fünf statt bislang vier Jahre. Also bräuchten die Parteien auch ein Viertel mehr Geld. Sonst sei „die Arbeit am Wähler im Sinne der Verfassung“ nicht mehr möglich. Pferdekemper hält entgegen, daß NRW und das Saarland trotz fünfjähriger Wahlperiode nach wie vor mit der alten Pauschale von fünf Mark auskommen. Außerdem sei die Neuregelung „in Nacht und Nebel“ durchgezogen worden: Mittwochs verwiesen CDU, SPD und FDP den Entwurf ohne öffentliche Aussprache in den Finanzausschuß, zwei Tage später war die Erhöhung perfekt. Den Grünen, die als einzige dagegen votierten, blieb die Spucke weg. Abgeordneter Manfred Seibel: „Wir bekamen den Entwurf erst kurz vor der Landtagssitzung. Man hat uns regelrecht überrumpelt.“
jow
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