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Eine erste Schlappe für Karstadt

■ Kammergericht Berlin: Ladenschlußzeiten im Tarifvertrag verstoßen nicht gegen Wettbewerbsrecht / HBV bekam Recht

Für die großen Kaufhäuser wird es immer schwerer, die traditionellen Ladenschlußzeiten zu kippen. Mit ausdrücklichem Bezug zum Grundgesetz urteilte gestern das Kammergericht Berlin gegen den Karstadt-Konzern.

Nach Auffassung des Berliner Kammergerichts verstößt ein Tarifvertrag zum Arbeitszeitende im Verkauf des Einzelhandels nicht gegen das geltende Wettbewerbsrecht. Der Kartellsenat des Kammergerichts wies gestern eine Berufungsklage der Karstadt AG gegen die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) ab und bestätigte eine gleichlautende Entscheidung des Berliner Landgerichts vom April 1989. Eine Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

In einem vom Hertie-Konzern gegen die Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) angestrengten arbeitsrechtlichen Verfahren hatte bereits das Bundesarbeitsgericht im Juni 1989 eine Einschränkung von Tarifverträgen über Arbeitsbedingungen durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen für unzulässig erachtet.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Kammergericht machte jetzt auch ein Sprecher des Kartellsenats deutlich, daß eine tarifliche Vereinbarung zum Ende der Arbeitszeit zur Regelung von Arbeitsbedingungen gehöre. Die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie könne durch ein einfaches Gesetz nicht im Kernpunkt eingeschränkt werden.

Hintergrund der Verfahren waren Warnstreiks von HBV und DAG zur Durchsetzung eines neuen Manteltarifvertrages im Einzelhandel, mit dem ein Arbeitszeitende im Verkauf auf 18.30 Uhr festgeschrieben werden sollte. Die Arbeitgeber sehen in dem Vertragsangebot der Gewerkschaften allerdings den Versuch, durch eine „Hintertür“ die inzwischen gesetzlich verankerte Möglichkeit eines „Dienstleistungsabends“ auszuhebeln. Bis auf Berlin haben die Arbeitgeber inzwischen in allen anderen Tarifgebieten mit den Gewerkschaften Tarifverträge über die Arbeitszeit im Verkauf abgeschlossen.

In Berlin riefen jedoch Karstadt und Hertie die Gerichte an - um in einem Musterprozeß bis hin zum Bundesgerichtshof die bereits abgeschlossenen Tarifverträge für nichtig erklären zu lassen, wie die Gewerkschaften vermuten. 1988 wollte Karstadt beim Landesarbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaften überprüfen lassen. Das Landesarbeitsgericht legte dann den Fall der Kartellkammer des Berliner Landgerichts vor, über deren Entscheidung jetzt in der Berufung das Kammergericht zu befinden hatte.

Die Gewerkschaften bereiten zur Zeit eine Urabstimmung im Berliner Einzelhandel für weitere Kampfmaßnahmen vor, mit denen ein Tarifabschluß über ein Arbeitszeitende erreicht werden soll.

dpa/taz

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