: Heulen und Zähneknirschen
■ Durch ein 2:3 nach Verlängerung gegen die Niederlande verpassen die bundesdeutschen Hockeyspieler das Finale der Weltmeisterschaft, in dem auch Gastgeber Pakistan steht (2:1 gegen Australien) / Fischer: „Beschiß“
Lahore (dpa) - Der Traum der bundesdeutschen Hockeyspieler von der Teilnahme am Endspiel der 7. Hockey -Weltmeisterschaft platzte wie eine Seifenblase. Im Halbfinale gegen Europameister Niederlande verlor das DHB -Team am Mittwoch im pakistanischen Lahore vor 45.000 Zuschauern nach Verlängerung mit 2:3 (2:2, 0:1). Die Niederlande trifft am Freitag im Endspiel auf Gastgeber Pakistan, der im zweiten Halbfinale Titelverteidiger Australien mit 2:1 (1:1) besiegte. Australien wird Deutschlands Gegner am Freitag (8Uhr MEZ) im Kampf um die Bronzemedaille sein. Im deutschen Hockey-Lager herrschte nach dem verlorenen Halbfinal-Krimi Heulen und Zähneknirschen. Der Kölner Vorstopper Volker Fried, der ein großes Spiel gegen den niederländischen Mittelstürmer Tom van t'Hek gezeigt hatte, wurde von wahren Weinkrämpfen geschüttelt. Als erster fand DHB-Sportwart Dr. Kurt Schneider die Sprache wieder: „Wir hätten dieses Spiel aufgrund der vielen individuellen Chancen durchaus gewinnen können, aber wieder einmal sind wir im entscheidenden Augenblick mental gescheitert.“
Die Niederlage verdarb den deutschen Hockeyspielern jegliche Jubiläumsstimmung. Dieses Halbfinale bei der 7. Weltmeisterschaft war das 600. Feldhockey-Länderspiel, das eine deutsche Männer-Nationalmannschaft seit 1908 bestritt (wer rechnet da in welcher historischen Kontinuität? d.Red.). Und es war zugleich für den deutschen Mittelstürmer Stefan Blöcher der 250. Einsatz im Nationaltrikot. Ob es auch sein letzter Einsatz war, war von Stefan Blöcher nicht zu erfahren. Auch ihm hatte es die Stimme verschlagen. Die Stimmung war den deutschen Spielern gründlich verdorben. Zweimal hatte der Mülheimer Carsten Fischer - in der 56. Minute zum 1:1 und in der 66. Minute zum 2:2 - die niederländische Führung ausgeglichen. Doch als Jan Bovelander in der 8. Minute der Verlängerung zum 3:2 für den Europameister traf, war die deutsche Niederlage perfekt. Ein in der 64. Minute von dem belgischen Schiedsrichter van Beneden verhängter, umstrittener Siebenmeter hatte dabei zur niederländischen 2:1-Führung geführt. Fischer: „Diese Entscheidung war ein klarer Beschiß. Ich habe den Ball korrekt abgewehrt und werde dann auch noch für meine Reaktionsschnelligkeit bestraft.“ Fischer selbst glich zwar noch einmal aus, aber in der Verlängerung hatten die Niederländer die besseren Nerven. Die dritte Strafecke nutzte Bovelander zum Siegtreffer. Die Deutschen konnten von insgesamt zehn Ecken nur zwei nutzen. Wie sehr die Psyche der deutschen Mannschaft nach der Niederlage gegen die Niederlande angegriffen war, zeigte sich auch daran, daß weder der Bundestrainer noch ein Spieler zur obligatorischen Pressekonferenz nach dem Spiel erschienen. So blieb den Deutschen allerdings auch der Spottgesang der Niederländer erspart, nachdem vom Konferenzraum aus ein niederländischer Journalist eine Telefonverbindung in die Heimat hergestellt hatte. Bundestrainer Klaus Kleiters einzige kurze Äußerung auf dem Weg von der Kabine zum Mannschaftsbus: „Das war für mich wahrscheinlich eine der härtesten Niederlagen, die ich in meiner Zeit als Bundestrainer wohl habe hinnehmen müssen.“
Am Finaltag kommt es nun zu den gleichen Paarungen wie bei der WM 1978 in Argentinien, als Pakistan mit einem 3:2 -Endspielsieg über die Niederlande zum zweiten Mal Weltmeister wurde und im Spiel um Platz drei Deutschland mit 3:4 gegen Australien verlor.
Sven Boberg
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