: „Halbseidene“ Hauptschulreform unter Druck
■ LehrerInnen und Experten: 10. Pflichtschuljahr zwar wünschenswert, aber nicht so / Integrative Lösung bevorzugt
„Diese Reformschritte hier sind doch allenfalls die zweitbeste Lösung“, sprach der eigens aus Hamburg angereiste Professor Schulz dem fachtagenden LehrerInnen-Publikum aus dem Herzen, das gestern heftig über die Frage „Hauptschule Aber wie?!!“ debattiert hatte. Daß in Bremen per Bürgerschaftsbeschluß vom letzten Sommer das 10. Pflichtschuljahr eingeführt ist, wurde übereinstimmend begrüßt. Genauso übereinstimmend kritisierten die LehrerInnen, GEW- und ElternvertreterInnen allerdings auch, daß es dafür von Behördenseite noch keine Konzepte, Lehrpläne und Curricula gibt und nur eine neue Stundentafel per Depu
tationsbeschluß ins Haus steht, deren praktische Umsetzung weder von der Qualifikation der Lehrkräfte, noch von der Ausstattung der Schulen her zu gewährleisten sei.
Für Armin Stolle, SPD-Mann und als Schulleiter der Gesamtschule Mitte auf dem Tagungs-Podium, ist die Bremer Hauptschul-Reform „sehr formalistisch und nicht produktiv“: Sie richte sich an die 20 % der Schüler, die nach der 6. Jahrgangsstufe eben nicht „ausge- und verlesen“ seien und stütze gleichzeitig die übrigen 80 % mit all ihren Privilegien und denen ihrer „Lobby“ aus Eltern und Lehrern. Die jetzige Reform mache gar
nicht erst den Versuch, andere Schulzweige zu integrieren und den Hauptschülern ihren individuellen (Schul -)Entwicklungsweg offenzuhalten.
„Die Hauptschule entwickelt sich immer weiter weg von den anderen Schulsystemen“, fand auch Heinz Hibbeler vom GEW -Bund. Die HauptschülerInnen seien selbst mit Senken der Klassenfrequenzen und mit besserer Ausstattung der Schulen die „Benachteiligten der Nation.“
Wolfgang Schulz von der Uni Hamburg animierte die anwesenden LehrerInnen und Behördenvertreter vermittelnd, nach dem „halbseidenen Schritt“ etwas besser weiterzumachen: Die ausste
hende Lehrplanentwicklung könne man doch gemeinsam („basisdemokratisch“) gestalten („Dann haben Sie vielleicht auch Lehrpläne, die sie auch lesen“). Gerade im neu zu konzipierenden „Lernbereich Arbeitslehre“, in dem künftig die vier ehemals eigenständigen Fächer Arbeitslehre, technisches Werken, textiles Gestalten und Hauswirtschaft zusammengefaßt werden, ließe sich Lehrplanarbeit integrativ nutzen. Und da sich Reformen natürlich nicht zum Nulltarif einführen lassen, seien gezielt konzipierte Einzelprojekte eine erste Kompromißlösung.
Der Bremer Oberschulrat Egon Pühn versuchte um Verständnis für die Bremer Reform zu werben: Das 10. Schuljahr sei eine Voraussetzung und ein erster Schritt für eine Integration in den Sekundarstufe-1- Bereich. Außerdem seien nach wie vor alle Schulzentren aufgerufen, sich zu integrierten Gesamtschulen zu
entwickeln. „Hauptsache es kostet nix!“, schallt es aus dem Auditorium. „Eben“, meint Pühn dazu trocken und fordert die LehrerInnen auf: „Das Angebot steht. Wenn Sie es nur auf der Gremien-Basis beschließen.“ Die Lehrpläne für Arbeitslehre gälten außerdem seit 1979 sowie so „harmonisiert“ für die Stufen 7 - 9 aller Schultypen. Und die neue Stundentafel werde im übrigen zum nächsten Schuljahr auch nur für die Jahrgangsstufe 7 eingeführt, so daß für alle übrigen Diskussionen ausreichend Zeit sei.
Die TagungsteilnehmerInnen hatten sich in Arbeitsgruppen zuvor mit den zu reformierenden Lehrinhalten auseinandergesetzt. Übereinstimmende Forderung: Umfassende Fortbildung, erhebliche Ausweitung der Lehrerstunden, sowie vor allem: Bessere Ausstattung mit Materialien und reform -angepaßten Lehrbüchern.
Birgitt Rambalski
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