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West-Hausbesitzer gründen Lobby

Eine in Berlin gegründete „Interessengemeinschaft“ will Haus- und Grundbesitzern ihre Immobilien in der DDR zurückverschaffen „Interessenausgleich“ mit jetzigen Nutzern und Mietern soll über eine Schlichtungsstelle geregelt werden / Eigentümer lauern schon  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Haus- und Grundeigentümer aus dem Westen haben jetzt eine eigene Lobby gegründet, um ihre längst abgeschriebenen Immobilien in der DDR wieder in Besitz zu nehmen. In Berlin wurde am Mittwoch eine „Interessengemeinschaft der Eigentümer von Grundstücken in der DDR“ aus der Taufe gehoben. Erklärtes Ziel des neugegründeten Vereins, in dem auch DDR-Bürger Mitglied werden können, ist die Anerkennung von Eigentumsrechten an Häusern und Grundstücken in der DDR und die Durchsetzung der Verfügungsrechte über den zurückgelassen, geerbten oder inzwischen enteigneten Besitz.

Auf 500.000 bis eine Million wird die Zahl der Personen geschätzt, die nun - die Wiederervereinigung im Visier Häuser und Grundstücke zurückreklamieren werden. Ihre neugegründete Interessengemeinschaft besteht zwar vorerst nur aus den sieben, zur Vereinsgründung notwendigen Mitgliedern. Einen Tag nach Bekanntgabe ihrer Formierung verzeichnete die Eigentümer-Lobby jedoch innerhalb eines Vormittags schon mehr als 150 Anrufe von potentiellen Interessenten.

Enteignungsverfahren sollen angefochten werden

In erster Linie, so der Vorsitzende der „Interessengemeinschaft“, der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Probandt, gehe es um die „Klärung von Rechtsfragen“. Ziel sei, die ehemaligen Eigentümer „wieder ins Grundbuch zu reinzukriegen“. Dazu werde man die staatlichen Enteignungsverfahren in der DDR anfechten, um den alten Haus - und Grundstücksbesitzern die tatsächliche Verfügungsgewalt zurückzugeben.

Als Gegenpart zu dem vor einer Woche gegründeten Mieterverein will sich die frisch-formierte Eigentümer-Lobby nicht verstehen. Auch mit dem Haus- und Grundbesitzerverband will sie nicht verwechselt werden, denn man will sich - so steht es explizit unter Punkt drei in der Satzung - auch um einen „Interessenausgleich“ mit den jetzigen Nutzern oder Bewohnern von Häusern und Grundstücken in der DDR bemühen. Dazu plant der Verein bereits die Einrichtung einer Schlichtungsstelle, in der dann „vernünftige Regelungen“ getroffen werden sollen.

Besitzer sollen nicht wie die Axt im Walde vorgehen

Beispielsweise könnten die Grundstücksbesitzer aus dem Westen ja mit den Eigenheimbesitzern in der DDR, die sich auf dem zwischenzeitlich enteigenetem Boden ein Häuschen gebaut haben, einen Nutzungs- oder Pachtvertrag abschließen. Überhaupt, so meint Interessengemeinschaftsvorsitzender Probrandt, seien die Haus- und Grundstückseigentümer in den letzten Tagen zu Unrecht in Verruf geraten, nur weil „sich einige von ihnen wie die Axt im Walde in der DDR aufgeführt haben“. Die meisten von ihnen seien ja keine Großgrundbesitzer, sondern Leute „aus einfachen, ja eher ärmlichen Verhältnissen“. Mieter und Nutzer von „Westeigentum“ bräuchten vor den alten Besitzer, die nun ihr Eigentum zurück haben wollen, gar nicht solche Angst zu haben.

Der mindeste Mieterschutz, der bei eier Wiedervereinigung gelten würde, sei ja immerhin der Standard der Bundesrepublik und der lasse keine unbeschränkten Mieterhöhungen und Kündigungen zu. Außerdem könne man für eine Übergangszeit auch über eine feste Mietpreisbindung reden. Die private Eigentümerschaft an Mietshäusern könne schließlich für die DDR-BürgerInnen auch „gute Aspekte“ haben, denn dann würde endlich etwas an den Häusern getan, meint Probandt. Angesichts des schlechten Zustands der Häuser könnten sich die Eigentümer vor Ablauf von zehn Jahren ohnehin keine Rendite erwarten.

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