: Obszöner Wiener Walzer
■ Opernball-Tradition: Drinnen wird gewalzt und geschwelgt, draußen gibt's Randale
Wien (taz) - Im völlig überfüllten Saal tanzten die 7.000 Gäste zu Strauß-Klängen den traditionellen „Linkswalzer“, vor der Wiener Oper demonstrierten Linke und Autonome gegen Luxus und Verschwendungssucht der Ballbesucher angesichts steigender Arbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit und Sozialabbau in Österreich.
Der am Donnerstag zum 40. Mal veranstaltete „Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben“ der Alpenrepublik provozierte, wie im Vorjahr auch, gewalttätige Proteste. Nach zunächst friedlich verlaufener Kundgebung lieferte sich ein Teil der Demonstranten bis zum frühen Morgen blutige Schlachten mit 3.000 eigens für diesen Anlaß neu ausgerüsteten Polizisten. Am Rande kam es zu Schlägereien zwischen Opernballgegnern und Rechtsradikalen. Vorläufige Bilanz am Freitagmorgen: mindestens 26 zum Teil Schwerverletzte, zwölf Festnahmen, demolierte Autos und eingeschlagene Schaufensterscheiben. „Freunde, das Leben ist lebenswert“ (Lehar) hieß indessen die von Kammersänger Afredo Kraus vorgetragene Devise für die Ballbesucher, die 315 DM Eintritt und bis zu 20.000 für einen Logenplatz in der Staatsoper berappt hatten. Dafür konnte Mensch den Begrüßungsworten von Altnazi Waldheim lauschen und einen Blick auf Caroline von Monaco oder Thomas Gottschalk erhaschen. Der Champagner für 643 DM pro Flasche floß in Strömen. Für Ex-Kanzler Kreiskys Sohn Peter war die Veranstaltung „angesichts der realen Lebensverhältnisse vieler Menschen im Lande eine riesige Obszönität“. Sie dürfte sich trotz allem Protest wiederholen. Kartenbestellungen liegen bereits für 1994 vor.
Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen