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Mit viel Energie für ein neues Energieprogramm

■ Auf Initiative des NEUEN FORUMS diskutierten am Wochenende in der Berliner Charit Energetiker und Umweltschützer die Inergiesituation in der DDR

Der Ort des öffentlichen Kongresses „Energie in der DDR woher und wohin“, die Berliner Charit, hatte bereits etwas programmatisches, denn die Kraftwerke im Land sind krank. Minister Sebastian Pflugbeil (NEUES FORUM) meinte, daß drei Viertel der DDR-Kraftwerke schrottreif sind. Das Atomkraftwerk in Lubmin zählte er ausdrücklich dazu.Die Energetiker haben bisher kaum etwas für ein tragfähiges Energiekonzept getan. Der Gedankenaustausch von einheimischen Experten, Alternativen und ausländischen Gästen sollte dazu erste Ansätze liefern.

Eine zuverlässige Energieversorgung ist die Voraussetzung für die Sanierung der zerrütteten Wirtschaft. Jetzt fallen die Würfel für die künftige Energiepolitik der DDR. Der desolate Zustand der Energieversorgung bietet aber auch eine große Chance. Die auf jeden Fall neu zu schaffenden Anlagen könnten den technischen Höchststand verkörpern und zugleich in einem noch nicht gekannten Ausmaß ökologisch verträglich sein. Das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg vom Umwelt -Saulus zum Umwelt-Paulus.

Doch Eile ist geboten, denn es besteht die Gefahr, daß jetzt geschlossene Verträge über Großkraftwerke und Kernanlagen später nur mühsam wieder korrigiert werden können. Auch wenn sie sich dann als unvorteilhaft und energetisch falsch erweisen sollten.Professor Martin Jänicke aus Westberlin schlug vor in der DDR verstärkt kleine Blockheizkraftwerke mit einer Leistung von 2 000 Megawatt zu errichten. Solche Kleinkraftwerke könnten ein Hotel, ein Krankenhaus oder einen Wohnblock mit Energie und Wärme versorgen. Die Vorteile wären äußerst geringe übertragungsverluste, niedrige Baukosten und ein Wirkungsgrad von 90 Prozent. Die Kopplung mit einer Wärmepumpe würde solche Anlagen noch einmal energetisch verbessern. Solche Anlagen könnten z.B. aus der Bundesrepublik importiert werden. Die jetzige Bundesregierung hat aber wohl mehr Interesse die inzwischen schlecht absetzbaren Reaktoren der Atomindustrie zu verkaufen.

Dem „Woher“ der Energie in der DDR wurde eine mögliche Richtung gewiesen. Über das Womit konnte aber auch der Kongreß keine Auskunft geben. Die Staatskasse der DDR ist bekanntlich nicht gerade am Überfließen. Da die Braunkohle als Kraftwerksbrennstoff wenig geeignet scheint, kämen umfangreiche Brennstoffimporte auf die DDR zu.

Etwa 70 Prozent der Primärenergie wird in der DDR bisher aus Braunkohle gewonnen. Braumkohlenkraftwerke haben einen gut doppelt so großen Kohlendioxidausstoß wie solche, die mit Erdgas betrieben werden, vom Schwefeldioxid und den Staubwolken ganz zu schweigen. Klimatologen fordern, den Kohlendioxidausstoß weltweit um mindestens 50 Prozent zu senken, um die drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Daher kann der Neubau von kleinen effektiven Wärmekraftwerken nur ein Aspekt einer tragfähigen Energiekonzeption sein. Der Energieverbrauch muß generell gesenkt werden. Moderne sparsamere Verbraucher, die Nutzung regenerativer Quellen und das bessere Ausnutzen der vorhandenen Energien sind dafür Möglichkeiten. Außerdem lassen sich auch kleine Wärmekraftwerke nicht in unendlicher Zahl errichten, die Kohlendioxidemission würde sonst nicht sinken, sondern steigen.

Hauptenergieverbraucher ist die Industrie. Dort müssen auch zuerst im Zusammenhang mit der Erneuerung der Produktion energieeffektive Systeme zum Einsatz gelangen. Die Energieproduktion in der DDR ist pro Kopf mit der der Bundesrepublik vergleichbar, die Effizienz der Produktion bekanntlich nicht. Dort liegen also gewaltige energetische Reserven. Es ist überlegenswert, ob besonders energieintensive Produktionsprozesse, wie etwa das Herstellen von Zement, Düngemitteln oder Aluminium an Orte zu verlagern, die etwa mit Wasserkraft deutliche Standortvorteile besitzen. Recycling bedarf übrigens nur ein Bruchteil der Energie für die Neuproduktion. So sollte bei der Sanierung der Industrie überlegt werden, welche Maschinen auf den Schrott müssen und welche sich modernisieren lassen - nicht gleich alles wegwerfen wenn der schöne Überfluß aus westlichen Gefielden winkt. Das gilt auch für unsere Pfandflaschen, sie sollten keinesfalls der Einwegflaschen- und Aludosenlawine weichen.

Über den Preis ließe sich ebenfalls einiges regeln. Gestützte Energiepreise sind höchstens ein Standortvorteil für energieintensive Industrieen. Ob jedoch höhere Energiepreise in den Haushalten schnelle Einsparergebnisse bringen, ist zweifelhaft, denn in fast keiner fernbeheizten Wohnung kann die verbrauchte Wärmemenge erfaßt werden. Das gleiche gilt für warmes Fernwasser.Erst die Installation von sehr vielen Zählern kann Abhilfe schaffen.

Übrigens sind auch die Papierherstellung und damit die Zeitungsproduktion sehr energieintensive Prozesse, daher sollten Sie sich überlegen, ob Sie weiter lesen wollen.

Thomas Conrad

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