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Bonner Experte: Westmark 1:1

■ Vertrauliche Studien in Bonn beziffern die Kosten der Einheit: 100 Milliarden Westmark

Nach Angaben von Wirtschaftsexperten der Bonner Regierung gibt es nur einen Weg, den Exodus von Übersiedlern aus der DDR in die Bundesrepublik zu stoppen: den Umtausch von Mark der DDR in West-Mark zu einem Kurs 1:1. Da die Sparguthaben insgesamt eine Höhe von 180 Milliarden Mark haben, würde der Umtausch, so vertrauliche Berechnungen, die Bundesrepublik eine Summe von 100 Milliarden DM kosten.

Nach diesem Vorschlag, die die Washingtoner Zeitung „Herald Tribune“ veröffentlichte, soll zunächst nur ein Sparbetrag zwischen 1000 und 5000 umtauschbar sein. Weitere Sparguthaben sollen nach ein oder zwei Jahren umgetauscht werden können.

Eine derartige Aufwertung der für den kapitalistischen Weltmarkt wertlosen Mark der DDR würde, so erwarten Wirtschaftsspezialisten, zu einem inflationären Schub in der Bundesrepublik führen und das Zinsniveau weiter wachsen lassen. Erforderlich wären zudem Sofort-Hilfen für Löhne und die Renten der DDR, damit die Betriebe nach der Währungsunion einigermaßen akzeptable Löhne zahlen können. Ein hochrangiger Bonner Wirtschaftsfachmann erklärte der US -Zeitung, man sehe aber keine Alternative zu einem 1:1 -Umtausch - ein weiterer Zustrom von Übersiedlern würde die Bundesrepublik noch teurer zu stehen kommen.

Aus derselben Quelle verlautete, Bundeskanzler Kohl habe einen Vorschlag für eine Steuererhöhung ausarbeiten lassen, um die Währungsunion zu finanzieren. Diese Steuererhöhung sei allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. Hunderte Milliarden DM stehen nach Ansicht der Bonner Wirtschaftssexperten bereit und erklären optimistische Erwartungen: „Wenn die Investitionen beginnen, beginnt der Boom.“

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der SPD in Bonn, Wolfgang Roth, hat eine Währungsunion mit einem 1:1-Umtausch schon zum 1. Juli angeregt. In der „DDR -Runde“ von Bonner Regierung, Wirtschaftswissenschaftlern und Top-Managern hat der Bundeskanzler Kohl festgestellt, daß es keine Alternative zur Währungsunion gebe. Sachverständige und Unternehmer seien allerdings skeptisch gewesen, weil sie beffürchteten, daß viele DDR-Betriebe ohne das Schutzschild des Wechselkurses fehle.

Thatcher fürchtet Aufruhr

Die britische Premierministerin Margret Thatcher fürchtet einen „enormen Aufruhr“ in Europa bei einer Vereinigung der DDR mit der BRD. London, machte die Regierungschefin klar, werde „nicht akzeptieren“, daß sich die anderen Staaten den von den beiden deutschen Staaten gesetzten Fakten einfach anzupassen hätten. Die angestrebte Währungsunion sei ein neues Argument, nicht dem europäischen Währungssystem beizutreten.

K.W.

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