: Neue Vorwürfe gegen Erich Honecker
■ Generalstaatsanwalt der DDR bestätigte 'Spiegel'-Bericht / Angeblich 75 Mio. für den Freikauf von Häftlingen abgezweigt
Hamburg/Berlin (dpa) - Der ehemalige DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker soll allein im vergangenen Jahr 75 Millionen D-Mark, die Bonn für den Freikauf von politischen Häftlingen an die DDR gezahlt hat, auf ein nur ihm zugängliches Konto abgezweigt haben. Die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage von 'adn‘ einen Bericht des 'Spiegel‘, daß dieser Vorwurf im Antrag auf Haftbefehl gegen den 77jährigen enthalten war. Aus dem Bericht geht nicht hervor, was mit dem Geld geschehen ist.
Die DDR-Generalstaatsanwaltschaft wies am Sonntag darauf hin, daß die Ermittlungen gegen Honecker, bei denen der Verdacht auf Hochverrat geprüft werde, noch nicht abgeschlossen seien. Erst wenn dies der Fall sei, könne über eine juristische Bewertung entschieden werden. Dem 'Spiegel‘ liegen nach eigenen Angaben auch das Protokoll der Vernehmung Honeckers durch die Staatsanwaltschaft sowie ein Rechtfertigungsschreiben des früheren SED-Chefs vor. Darin weise der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende alle ihm zur Last gelegten Vorwürfe zurück.
Nach Angaben des Nachrichtenmagazins verteidigt sich Honecker damit, er habe humanitär gehandelt. Er habe „jährlich bis zu 35.000 Menschen“ von Ost nach West zur Familienzusammenführung ausreisen und Selbstschußanlagen und Minen beseitigen lassen. Den Schießbefehl an der deutsch -deutschen Grenze habe er aufgehoben und „Operationen gegen Menschen“ außerhalb der Grenzlinie untersagt. In den dem 'Spiegel‘ vorliegenden Dokumenten behauptet Honecker nach Angaben des Nachrichtenmagazins weiter, ihm sei es zu verdanken, daß am 9.Oktober bei der Massendemonstration in Leipzig nicht auf Menschen geschossen wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen