Arbeitsloser: Das ist der Anfang...

■ Auf dem Amt für Arbeit in Berlin-Mitte: Bedrückende Atmosphäre unter den Wartenden / Mitarbeiter stellen sich auf die neue Zeit und die neuen Aufgaben ein / Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg schult DDR-Kräfte / taz befragte einzelne Arbeitssuchende

Bedrückende Stille herrschte in der Schlange, die kurz vor neun Uhr am Dienstag vor der Tür des Amtes für Arbeit Mitte auf Einlaß wartet. Als ich vorgehe, werde ich angeherrscht: „Wir stehen hier auch.“ Warum? Eine junge Finanzökonomin schildert ihre Situation: Seit dem 1. Februar ist sie arbeitslos, geschieden mit zwei Kindern. Sie war vorher in der Zentralverwaltung für Statistik tätig und hat seitdem 17 Stellen anvisiert, die alle ablehnend reagierten. „Als Reinemachefrau hätte ich arbeiten können“, sagt sie enttäuscht. Die überwiegende Zahl der Stellen sei schon besetzt gewesen. Seit Montag werden die entsprechenden Anträge entgegengenommen. 40 Leute meldeten sich bis gestern früh. Mit größerem Andrang rechnet Marion Grothe, Direktorin des Amtes für Arbeit noch in diesen Tagen. Sie hat zur Zeit 1300 freie Plätze für Facharbeiter. Für Fach- und Hochschulkader, die sich hier hauptsächlich melden, gibt es nur elf freie Stellen.

Frau Elke Gruse schreibt sich etliche Stellen unter dem Stichwort Fachschule heraus. sie ist im Auftrag ihres Betriebes, dem Arbeitswissenschaftlichen Zentrum (AWZ) des bisherigen SED-Betriebes Zentrag hier. „Das AWZ wird jetzt volkseigen. Wir sollen uns selbst finanzieren durch Aufträge von Betrieben. Aber es sieht so aus, als ob für Fragen der Arbeitsplatzgestaltung und Verbesserung der sozialen Bedingungen kein Interesse besteht.“ Neben der Sorge um die Zukunft der Kollegen, ist auch die Vorstellung belastend, daß alles was sie bisher an Projekten erarbeitet haben dann verloren geht.

Ganz anders liegt das Problem für Karin Fuhrmann, die Ende letzten Jahres ihre Arbeit im Modezentrum aufgeben mußte, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Die 20 Mark Pflegegeld im Monat entsprechen bei weitem nicht den Aufwendungen, die sie täglich hat. Ob auch sie die finanzielle Unterstützung erhält ist nicht klar. Es müssen Regelungen für jene gefunden werden, die aus akzeptablen Gründen nicht arbeiten gehen können. An zwei Tagen in der Woche ist der Baumaschinist U.S. unterwegs auf Arbeitssuche. Und das, obwohl Facharbeiter gebraucht werden. „Es wird viel wegrationalisiert. Das ist erst der Anfang...“, meint er ziemlich hoffnungslos. Im August '89 verließ er mit einem Aufhebungsvertrag den VEB Secura. Stellte er sich mit dieser Vorgeschichte irgendwo vor, wurde plötzlich immer abgelehnt.

Marion Grothe ist dabei drei neue Abteilungen aufzubauen, darunter eine, die die Anträge auf Unterstützung bearbeiten wird. Die Formulare dafür wurden übrigens gemeinsam mit dem Arbeitsamt Westberlin zusammen erarbeitet. Die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg bildet 90 Instrukteure für die DDR aus.

Anja Baum