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Müllentsorgung: Verbrennnen, was das Kessel-Zeug hält

■ MBA Bremerhaven will gesetzliche Begrenzung ihrer Kapazitäten aufheben lassen / Grüne befürchten Müllmetropole des Nordens

Bremerhavens Müllstrategen wollen endlich auch gesetzlich dürfen, was sie technisch längst können: Müll verbrennen, was

die Kessel der Müllbeseiti gungsanlage (MBA) hergeben. Beim Gewerbeaufsichtsamt hat die MBA die grenzenlose Müll

verbrennung jetzt schriftlich beantragt: Die bislang verordnete „Höchstmülldurchsatzmenge“ in der MBA soll fallen. Bei 280.000

Tonnen Müll pro Jahr ist bislang Schluß, so wollen es die Gewerbeaufseher derzeit noch. Technisch könnte die MBA rein rechnerisch - aber schon jetzt bis zu 390.000 Tonnen im Jahr verbrennen, wenn alle drei Kessel rund um die Uhr unter Vollast laufen würden. Damit die zusätzlichen Kapazitäten auch genutzt werden dürfen, muß das Gewerbeaufsichtsamt das bisherige Limit aufheben. Zur Zeit rechnen die Techniker nach, ob auch bei erhöhter „Müll-Durchsatzmenge“ die Luftverschmutzung sich in bestehenden Grenzwerten hält. können. In sechs bis acht Wochen rechnet man in der MBA mit einer Entscheidung.

Für MBA-Geschäftsführer Heinrich Kettler ist der Antrag auf Wegfall der Müllverbrennungs-Höchstgrenze vor allem eine nette Geste gegenüber anderen Müllverbrennungsunternehmen in Norddeutschland: „Wenn irgendwo anders mal ein Kessel

ausfällt, könnten wir dann einspringen. Bislang müssen wir in solchen Fällen regelmäßig abwinken, denn wir könnten zwar, dürfen aber nicht.“

Ganz andere Motive argwöhnen allerdings Bremerhavens Grüne und der Bund für Umwelt-und Naturschutz (BUND) hinter den MBA-Expansionsplänen. Sie fürchten den weiteren Ausbau Bremerhavens zu einer Müllmetrople des Nordens. Wenn die Kapazitäten erst genutzt werden dürfen, so die Befürchtung der Umweltschützer, werden sie auch genutzt, und die MBA bis zum Stehkragen mit weiterem Müll aus den Umlandgemeinden ausgelastet. Konsequenz: Erstens sinken dadurch die Chancen für Müllvermeidungs- und Wiederverwertungskonzepte. Zweitens: Wenn jetzt alle technischen Reserven ausgeschöpft werden, werden Sachzwänge geschaffen, um bei der geringsten Erhöhung von Bremerhavens Müllaufkom

men einen weiteren Verbrennungskessel installieren zu können.

Klammheimlich und illegal, mutmaßen die Grünen, habe die MBA auch in den vergangenen Jahren die erlaubten 280.000 Tonnen -Grenze überschritten und mehr Müll verbrannt als gesetzlich erlaubt. Der Bremerhavener Ex-Grüne Peter Riedschle hat sogar Strafanzeige gegen MBA-Geschäftsführer Kettler gestellt.

„Alles Quatsch“, kontert Kettler die grünen Vorwürfe. Richtig sei zwar, daß die MBA auch in der Vergangenheit rund 300.000 Tonnen Müll pro Jahr angenommen habe, verbrannt worden seien allerdings trotzdem weniger als die erlaubten 280.000 Tonnen. Kettlers simple Erklärung für die Differenz: Man muß den angelieferten „Rohmüll“ nur gut ablagern, dann lösen sich 10 Prozent wie von selbst in Luft auf. Durch Verdunstung des Wassergehalts.

K.S.

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