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Die Katastrophe war da

■ Senatsdirektor schlug Sturm-Alarm / Weser wuchs um 4,90 Meter / Windstärken bis 11

Um 0.12 Uhr war die Katastrophe da. Auch offiziell: Der Stellvertreter des Bremer Innensenators, Senatsdirektor Helmut Kauther, mußte katastrophenschutzplanmäßig den heimischen Lese- und Fernsehsessel verlassen. Seine erste mitternächtliche Amtshandlung: Auslösung des zu jeder Katastrophe behördlich gehörigen Alarms. Weitere Tätigkeiten: Klassifizierung der Alarmstufe (in diesem Fall III), Leitung der gebotenenen Katastrophenschutz-Maßnahmen, insbesondere: Mobilisierung von mehreren 100 Polizeibeamten, der freiwilligen und unfreiwilligen Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks, der Deichverbände. Auf tatkräftige Unterstützung konnte sich der Senatsdirektor des weiteren bei mehreren MitarbeiterInnen seiner Behörde verlassen: Schon nachmittags hatte der zuständige Referent bei einem Blick aus dem Amtsstuben-Fenster beschlossen, an diesem Abend auf sein Feierabend-Bier zu verzichten.

Der Mann hatte entweder die Zeichen der Zeit richtig gedeutet oder den Wetterbericht gehört: Mit gewaltigem Rums waren irgendwo über der Deutschen Bucht eine schottische Kaltluftfront und tropische Warmluftmassen aneinandergerasselt. Ergebnis: Auf Bremens Straßen quittierten Schilder unorthodox ihre Weg-Weiserdienste und hoben eigenmächtig Parkverbote auf, in haltlosem Taumel entwickelten sich Ampeln in ihr charak

terliches Gegenteil und wurden von Straßenverkehrs -Ordnungshütern zu gemeingefährlichen Verkehrsrowdies, es regnete Dachziegel und Baum-Äste, Autos (15) beugten sich klag- und widerstandslos der höheren Gewalt umstürzender Bäume (200), am Lehester Deich und in der Emtinghauser Straße platzten über Nacht entwurzelte Geschöpfe unangemeldet in traute Familienabende hinein (Schaden 30.000 Mark), Häuser fanden sich über Nacht zwangs-dachbegrünt, andere dafür dachlos.

Vor allem aber drohte: Hochwasser. 2,70 Meter stand Weser höher als ihr üblicherweise zukommt, als Senatdirektor Kauther per Alarmauslösung gegen die böigsten Winde seit seinem Bremer Amtsantritt einschritt. Prognosen fürchteten zu diesem Zeitpunkt weitere Wassermassen bis zu einer Höhe von 5,40 Meter. So hoch kam es denn doch nicht. Um 3.38 Uhr zeitigten die Maßnahmen des Krisenstabs Erfolg. Die orkanartigen Sturmböen ebbten allmählich ab. Ein weiteres Ansteigen des Weserpegels

konnte ausgeschlossen, Bereitschaftshundertschaften bei Polizei und Feuerwehr in den Feierabend entlassen werden.

Gestern konnten Polizei und Technische Hilfswerker allmählich wieder zum Routine-Geschäft übergehen: Das heißt umgefallene Bäume beseitigen, verkehrsgefährdend herumliegende Dachziegel beiseite räumen usw. Aus Bremer Arztpraxen und Krankenhäusern konnten 10 sturmgeschädigte Bremer nach ambulanter Behandlung entlassen werden.

K.S.

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