: Will Genossenschaftsbank ihre Spielschulden nicht zahlen?
■ Größter Wirtschaftsskandal der Republik? Was gilt großes Bankerehrenwort?
Paris/Berlin (taz) - Erst mit ihrer deutschen Großmark die Obligationen-Kurse in den Keller jagen und sich jetzt noch auf krummen Wegen aus der Verantwortung stehlen wollen: Die bundesdeutschen Banken, vor allem aber die „Deutsche Genossenschaftsbank“ (DG) haben dieser Tage in Frankreich eine denkbar schlechte Presse. Unterstellt wird schlichter Wortbruch.
Die DG hat nach Angaben französischer Banken vor einiger Zeit Obligationen im Werte von acht Milliarden DM bei ausländischen, vor allem sieben französischen Banken „in Pension“ gegeben, d.h. sie hat Wertpapiere pro forma verkauft, angeblich unter dem Versprechen, die Papiere nach einer kurzen Zeit wieder zurückzukaufen.
Es handelt sich dabei um eine unter Banken gängige Finanzierungsart, die gleichzeitig bilanztechnische und steuerrechtliche Vorteile haben kann. Was diesmal nur niemand gewittert hatte: die Kurse der Obligationen sind in den letzten zwei Wochen um knapp 15 Prozent gesunken. Ein sattes Minus von einer Milliarde DM also. Auch wenn es im Streit zwischen den Banken nicht um den gesamten Betrag von dieser einen Milliarde Mark gehen sollte: Wen wird es überraschen, daß sich die DG weigert, ihre Papiere zu dem alten Kurs zurückzukaufen?
Schriftliche Abmachungen gibt es nicht, räumen einige französische Banker ein, die DG macht geltend, es gebe überhaupt keine Abmachungen über den Rückkauf. Die Behauptungen der Kontrahenten stützten sich in keinem Falle auf dokumentierte Verpflichtungen, sie seien „rechtlich und usancegemäß völlig unbegründet“. Immerhin: DG-Rentenhändler Friedrich Steil, der mit den Franzosen verhandelt hatte, ist unterdessen wegen „Kompetenzüberschreitung“ gekündigt worden. Die DG-Bank hatte dies damit begründet, daß er im Zusammenhang mit Verkäufen festverzinslicher Wertpapiere ohne Wissen seiner Vorgesetzten Nebenabreden getroffen habe, zu denen er nicht befugt gewesen sei.
Mit dem Rausschmiß Steils wollen sich die Pariser Banken natürlich nicht zufriedengeben. Ein Sechs-Milliarden -Geschäft ist schließlich keine One-Man-Show: „Vertrauensbruch! Gangstermethoden!“ meinen sie und schickten die große Schwester Banque de France zur Bundesbank nach Frankfurt, um zu intervenieren. Die Frankfurter stellten sich taub: es handele sich um eine rein „privatrechtliche Angelegenheit“. Eine kühne Behauptung angesichts der Summen, die im Spiel sind, und des Rufes des Börsenplatzes Frankfurt. „Die Glaubwürdigkeit des deutschen Bankensystems ist in Frage gestellt“, empört sich das Pariser Börsenblatt 'Tribune de l'Expansion‘.
Inzwischen bestätigte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Steil und zwei andere DG-Mitarbeiter wegen des Verdachts der persönlichen Bereicherung. Eine durchgeführte Hausdurchsuchung zur Sicherung von Beweismitteln hätte allerdings nichts ergeben - was Wunder, wenn das Problem gerade darin liegt, daß es nichts Schriftliches gibt.
Sollte die DG von den Franzosen auf dem Klagewege gezwungen werden, die nunmehr billigeren Papiere zum alten Preis zurückzukaufen, so würde ihr das nach Meinung von Fachleuten einen Verlust von 660 Millionen Mark einbringen. Für den Fall, daß hier tatsächlich strafrechtlich relevantes Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter vorliegt, würde dieser DG-Skandal mithin den bislang größten Wirtschaftsskandal der Republik in den Schatten stellen. Vor zwei Jahren war VW durch Devisenmanipulationen ihres Chefdevisenhändlers um eine halbe Milliarde Mark gebracht worden.
Die DG-Bank, schon etwas angeschlagen durch die Pleite der coop-Ladenkette, arbeitet zur Zeit daran, die Regionalkassen der Volksbanken zu übernehmen und ist an den Expansionsplänen des Medien-Tycoons Leo Kirchs beteiligt. Bei der Finanzierung dieser ehrgeizigen Pläne durch Pensionsgeschäfte vertraute sie offenbar auf einen gleichbleibenden Wertpapierkurs, also auf stabile Zinsen. Jetzt, nachdem Inflationsängste angesichts der deutschen Währungsunion die Zinsen hochgedrückt haben und die Kurse fielen, könnte die DG-Bank das erste Opfer der Kohlschen Währungs-Teutomanie werden. Das Eigenkapital der Bank würde, so heißt es, gerade ausreichen, um die Verluste aufzufangen. Da ist es schon ratsamer, einen Direktor in Pension zu schicken oder über Bord zu werfen und gewisse mündliche Absprachen einfach zu vergessen.
smo/ulk
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