: Die Westpresse kommt - natürlich monopolisiert
■ Vier BRD-Großverlage wollen in der DDR Gesamtvertrieb unter sich ausmachen
Berlin (taz) - Am kommenden Montag ist es soweit: Landesweit sollen in großer Menge westliche Presseerzeugnisse in der DDR angeboten werden. Für 1,80 Mark können dann alle die 'Bild-Zeitung‘, für 11,40 Mark den 'Stern‘ oder für 7,50 Mark gar ein Micky-Maus-Heft kaufen. Aufgeteilt wird das Vertriebsgebiet unter den vier großen bundesdeutschen Pressekonzernen.
Der Norden der Republik gehört Bauer, die Mitte Gruner & Jahr und der Süden Springer und Burda, die sich jeweils zu dem gegenseitigen Vertrieb ihrer Presseerzeugnisse verpflichten. Der Großraum Berlin, für den Gruner & Jahr zuständig ist, wird von der Medien Handel GmbH betreut, die in beiden Teilen Berlins einen Firmensitz hat und bei der es sich offensichtlich um eine Tochtergesellschaft des zu Gruner & Jahr gehörenden Berliner Pressevertriebes handelt.
Auswirkungen des geplanten DDR-Vertriebskartells auf die Vertriebssituation können sich schon bald in West-Berlin ergeben, wo bislang die beiden Hauptbeteiligten am DDR -Vertrieb Gruner & Jahr und Springer ihre Objekte über unterschiedliche Grossisten (Berliner Pressevertrieb und Vertriebsvereinigung) vertreiben. An der Vertriebsvereinigung (VV) ist Springer mit 49% beteiligt, und es liegt nahe, über eine Fusion der beiden Berliner Grossisten nachzudenken, wenn ohnehin im gesamten Berliner Umland eng zusammengearbeitet wird.
In Berlin wächst inzwischen der Widerstand der nicht konzerngebundenen Verlage gegen das beabsichtigte DDR -Vertriebskartell. Sie haben sich an das Bundeskartellamt in West-Berlin gewandt, weil sie befürchten, daß konzernunabhängige Verlage in Zukunft bei ihren Vertriebsstrategien an der kurzen Leine der Konzerne gehalten werden. Die großen Verlage hatten am Dienstag abend ein Treffen beim Bundeskartellamt, um dort kartellrechtliche Bedenken aus dem Wege zu räumen. Dies soll durch die Beteiligung möglicher Partner in der DDR erfolgen, von denen allerdings angenommen werden kann, daß es sich um reine Scheinbeteiligungen handelt. Ernstzunehmende Kooperationspartner in der Branche gibt es außer der Deutschen Post dort nicht.
Die massive Einfuhr der Westpresse in die DDR ist nicht nur unter medienpolitischen Gesichtspunkten prekär. Die um das Überleben kämpfenden Zeitungen geraten dadurch noch mehr unter Druck, ohne daß sie sich bisher auf diesen Konkurrenzkampf vorbereiten konnten. Wichtig sind auch die wirtschafts- und währungspolitischen Dimensionen dieses Geschäfts, denn sämtliche Umsatzerlöse, die in wenigen Monaten Milliardenhöhe erreichen können, werden auf DDR -Konten der Verlage „geparkt“ bis zu dem „Tag X“, an dem diese Gelder in DM umgetauscht werden können. Im Augenblick ist diese Abschöpfung von Kaufkraft sogar erwünscht, weil für das vorhandene Geld zuwenig Waren gekauft werden können. Die große offene Frage ist aber, wie sich solch riesigen Vermögen am Tage der Einführung der Währungsunion auswirken. Sollte der Umtauschkurs von DDR-Mark in DM dann über dem heutigen Verrechnungskurs von 1:3 liegen, dann können die Verlage einen riesigen Spekulationsgewinn realisieren. Andererseits könnte die Neigung der Bundesregierung, DDR -Mark in DM zum Kurs 1:1 umzutauschen, in dem Maße nachlassen, in dem bis dahin viel Geld auf Konten westlicher Unternehmen „geparkt“ ist.
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