: Treffen wir uns beim Bessel
■ Denkmal: Arbeitssamer Astronom zwischen den Konsumtempeln der Innenstadt enthüllt
„Da schmeißen Sie bestimmt wieder mit unserem Geld rum,“ sagte der Herr, der weiß, wie der Hase läuft, als er zu dem Auflauf trat. Der Auflauf hatte sich gebildet zwischen Horten, C & A Brenninckmeyer und H.W. Meyer, just dort, wo die gestelzte Ansgaripassage auf die BMWs der Bürgerparktombola stößt. Ein Ort also, den man sich beim Einkaufen unbedingt merken muß, aber stadtplanungsbedingt keinesfalls kann. „Als Treffpunkt ganz toll,“ fand dann auch eine Dame sofort das Positive heraus, als sie zu dem
Auflauf stieß, „da sagt man einfach: Treffen wir uns nachher beim Bessel.“
Womit wir schon beim Kern der gestrigen Auflaufbildung sind. Friedrich Wilhelm Bessel, den Bremensern allenfalls durch die nach ihm benannte Buckelstraße geläufig, ab 1799 Handlungsgehilfe im Überseehandlungshaus Kulenkamp & Söhne, dort wo jetzt Hortens futuristischer Alu-Stuhl auf und nieder fährt, hat dort sechs Jahre lang einen 12-stündigen Arbeitstag absolviert. Und weil er nach dem immer noch Mathematik und Astronomie gepaukt hat, ist er, das dann natürlich nicht mehr in Bremen, ein hinreichend bekann
ter Astronom und Geodät geworden.
Deshalb also jetzt die „Besselei“ von Jürgen Goertz mit einem Alu-Ei für die „Besselsche Erdellipse“ - die Erde ist nämlich keine richtig anständige Kugel - mit Teleskop und Sextant aus Edelstahl und mit einem grünpatinierten Jünglingskopf aus Bronze: Stift Bessel. Geradezu anstößig schwellippig, ziernasig und schönäugig. Die Augen sind aus Plastik. Jürgen Goertz sagt, daß das lebendiger wirkt. „Der schielt ja,“ war alles, was einer inspizierenden Bremerin daran auffiel.
Bessel war nun nicht gar so lange in Bremen, als er berühmt
war, natürlich eh nicht und Olbers, echt bremisch und exakt 150 Jahre tot, hat überhaupt kein Denkmal nicht, und Fritze Engels, im 19. Jahrhundert hier, auch als Stift wie Bessels, hat auch kein Denkmal, wieso also grade Bessel, ist doch ungerecht.
Das vielleicht, aber es gab einmal eine Initiative zur Verschönerung der Knochenhauerstraße. Und weil Bessel rein örtlich gepaßt hätte, weil er doch bei Horten gearbeitet hat und in der Hutfilterstraße gewohnt, hat Jürgen Geortz ein Modell gemacht. Und das wurde nun gestern, Knochenhauerinitiative längst gestorben seiend, enthüllt. Hans-Joachim Manske, behördlicher Freund der Kunst im Öffentlichen Raum, hat dafür gesorgt, daß jedenfalls nicht die bremischen Steuergroschen des oben zitierten Herrn verwandt wurden. 120.000 Mark hat er bei den umliegenden Kaufhaustemplern losgeeist, den Rest hat die Städtebauförderung beigesteuert.
Und, falls Sie nicht verstehen, warum der schöne Herr Bessel ein Haarnetz trägt: Das sind die Planeten und Fixsterne, deren Parallaxe er entdeckt und berechnet hat. Auf deren Grundlage werden immer noch Entfernungen im Weltraum bestimmt, sagt man. Hätte eigentlich MBB auch bißchen was zahlen können zur Ehren seines Grundlagenforschers. Wir treffen uns beim Bessel, anyway.
Uta Stolle
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