: Schamir will sich Washington nicht beugen
Steht ein Bruch der Regierungskoalition in Israel bevor? / Arbeiterpartei für Annahme der amerikanischen Vorschläge / US-Außenminister Baker kündigt Mittelkürzungen für den Fall an, daß Israel weiterhin Sowjetjuden in den besetzten Gebieten ansiedelt ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Krise, die den rechtskonservativen Likud-Block zu spalten drohte, scheint vorerst vertagt: Israels Ministerpräsident Jizchach Schamir hat erneut den amerikanischen Kompromißvorschlag über die Zusammensetzung einer künftigen palästinensischen Verhandlungsdelegation abgelehnt. Schamir, der für Nahost-Kompromisse gegewärtig über keine Mehrheit verfügt, war unter massiven innerparteilichen Druck geraten, als er einer solchen Verhandlungsdelegation zustimmen wollte.
Freilich, die mögliche Abwendung der unmittelbar drohenden Spaltung des Likud und die Vertagung des innerparteilichen Machtkampfs sind teuer erkauft. Denn nun steht Schamir einerseits im Schußfeld der Arbeiterpartei, die mit Aufkündigung der Regierungskoalition droht, falls Schamir das Außenministertreffen der USA, Ägyptens und Israels ablehnt, das Gespräche zwischen Israel und palästinensischen Vertretern einleiten sollte. Denn die Arbeiterpartei fand die amerikanischen Vorschläge „vollkommen akzeptabel“.Und andererseits ist nun auch Washington über den erneuten Korb aus Israel verstimmt und hält erhebliche Kürzungen der Zuwendungen an Israel für möglich.
US-Außenminister Baker äußerte am Donnerstag, daß die Regierung in Jerusalem alle Besiedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten einzustellen habe, wenn sie weiterhin Gelder für die Unterbringung sowjetischer Juden erhalten wolle. Den Vereinigten Staaten käme eine Freisetzung von Finanzmitteln gegenwärtig ohnehin überaus gelegen, um damit den papierenen Zusagen für Mittelamerika und Osteuropa auch Taten folgen zu lassen. Israel und Ägypten erhalten zusammen mit zusammen mit jährlich über fünf Milliarden US-Dollar ein Drittel der US-amerikanischen Auslandshilfe. Allein Israel erhält an Zuwendungen für Wirtschaft und Armee gut drei Milliarden pro Jahr.
Schon am vergangenen Mittwoch beklagte sich der stellvertretende israelische Außenminister Netanjahu, der zu Gesprächen in Washington weilte, darüber, daß die USA „sich arabischem Druck unterwerfen“ und die Frage der Einwanderung sowjetischer Juden nach Israel „mit der Frage der Zukunft der besetzten Gebiete in Verbindung bringen.“ Netanjahu glaubte zudem besorgniserregende Tendenzen, was das Verhältnis zwischen den USA und Israel betrifft, ausgemacht zu haben. Fraglos meinte der israelische Vizeaußenminister damit die amerikanische Entschlossenheit, den israelisch -palästinensischen Dialog „ohne Sentimente“ voranzutreiben, um das amerikanische Ansehen im Nahen und Mittleren Osten nicht zu gefährden.
Ministerpräsident Schamir, der die Äußerungen Bakers zurückwies, ist nach der erneuten Ablehnung des amerikanischen Vorschlags in der Zwickmühle. Er weiß, daß er im Grunde nur nach vorne flüchten kann. Das heißt, ohne Brüskierung der USA und mit Hilfe des Koalitionspartners Arbeiterpartei sowie durch taktische Spaltung und Überrumpelung der innerparteilichen Opposition. Die Frage allerdings, ob Schamir sein Spiel durch die erneute Ablehung gewinnen und an der Macht - sowohl in seiner Partei wie auch in der Regierung - bleiben kann, bleibt offen.
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