piwik no script img

Rot-schwarze Koalition bedroht Prinzenallee58

■ Finanzsenator Meißner verlangt anderthalb Millionen Mark von der alternativen BewohnerInnengenossenschaft der ehemaligen Fabrik Prinzenallee58 / Ex-BesetzerInnen sehen Katastrophe auf zahlreiche Selbsthilfeprojekte zukommen / Wer soll das bezahlen?

„Wenn das hier so teuer wird, müssen viele Leute entweder ausziehen oder haben nichts mehr zu futtern“, orakelt düster Projektsprecher Rainer Schützen. Die Sorge der rund 200 BewohnerInnen der ehemaligen Fabrik Prinzenallee58 in Wedding scheint berechtigt: Nachdem der rot-grüne Senat das vor zehn Jahren als Antwort auf den Leerstand besetzte Gebäude von der EigentümerInnengesellschaft Panke-Park erwarb, sollen sie nunmehr den Kaufpreis an das Land Berlin zurückerstatten. Das wären schlappe 1,475 Millionen Mark, zahlbar in fünf Jahresraten von jeweils 295.180 Mark. So steht es jedenfalls nun in dem Entwurf eines Erbpachtvertrages, den das Weddinger Grundstücksamt jetzt vorlegte. Sobald eine anstehende Sanierung unter den Fittichen des Treuhändlers „Wohnstatt“ abgeschlossen ist, soll der Vertrag an eine geplante BewohnerInnengenossenschaft weitergegeben werden.

Für die BewohnerInnen ist der Vertrag unannehmbar. Sie schlossen sich nicht umsonst in einem „Verein zum Schutz billigen Wohnraums“ zusammen. In einem Fünfjahreszeitraum anderthalb Millionen Mark aufzubringen, übersteige „bei weitem“ die finanziellen Möglichkeiten. Mehr noch: Selbsthilfeprojekte vor Ort wie ein Behindetencafe, ein Kinderladen oder Sprachkurse für Palästinenser seien „existentiell“ gefährdet.

Zuallererst kreidet man dem Finanzsenator an, daß Vereinbarungen über die Obergrenze der finanziellen Belastung der BewohnerInnen nicht eingehalten wurden. Sprecher Schützen: „Wir haben nie und nimmer zugesagt, daß wir das Haus kaufen. Vorgesehen war - wenn überhaupt - ein Kauf über 15 Jahre.“ Zusätzlich müßten die Fabrikleute nun die Kosten für einen Parkplatz übernehmen, der von NachbarmieterInnen der Panke-Park genutzt wird.

Andere „Hämmer“ in dem Erbpachtvertrag stammten von dem Weddinger CDU-Finanzstadtrat Havlicek. Wie die BewohnerInnen rügen, soll mit Klauseln wie der, daß eine „Nutzung als Zentrum eine sozialen Destabilisierung der Umgebung“ auszuschließen sei, auf ihr „Wohlverhalten“ Druck ausgeübt werden. Ferner sei der Modellcharakter der ehrenamtlichen soziokulturellen Arbeit in keinster Weise berücksichtigt.

Befremdet über das Verhalten des Finanzsenators äußerte sich auch „Wohnstatt„-Geschäftsführer Jürgen Pinnig: „Er hat den Bewohnerverein kaum informiert und an Beratungen überhaupt nicht beteiligt. Aber es gibt keine Chance, den Senator von den harten materiellen Bedingungen herunterzubringen.“ Allerdings, so Pinnig, werden „Wohnstatt“ in Verhandlungen mit der Bauverwaltung versuchen, die soziale „Schmerzgrenze“ für die Vereinsmitglieder etwas herabzumildern. Konkret denke man daran, durch Dachgeschoßausbau oder ein kleineres, zusätzliches Gebäude eine bessere Auslastung des Weddinger Fabrikgrundstücks zu erreichen. Durch einen Kunstgriff ließen sich die Erbbauzinsen pro Quadratmeter Wohnfläche noch sehr reduzieren. Mit knapp 94.000 Mark wäre die jedoch vergleichweise bescheiden.

Finanzsenator Meißner scheren die Betroffenenproteste nicht. Alle Erbpachtmodalitäten seien sowohl mii „Wohnstatt“ als auch mit den BewohnerInnen so „abgesprochen gewesen“, beharrte Meißner-Sprecher Wolfgang Brinkschulte.

thok

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen