: Die „Festung Europa“ schottet sich ab
■ Angst der Immigranten vor „Modell Großdeutschland“
Paris (taz) - Alle reden von fallenden Mauern - sie können es leider nicht: Europas Immigranten trafen sich am Wochenende in Paris, um „Europa im Spiegel seiner Immigranten“ erscheinen zu lassen. Das Bild war düster.
Zwar wurde festgestellt, daß „die Deutschen nicht rassistischer als andere“ seien, doch war die alte Furcht vor einem neuen Deutschland in vielen Beiträgen präsent. Immigrationsforscher Patrick Weil warnte davor, daß die deutsche Konzeption der Einbürgerung nach Kriterien der Abstammung („jus sanguinis“) sich in der EG verbreiten könnte. In Frankreich dagegen würde jeder im Land Geborene automatisch auch französischer Staatsbürger - ein erhaltenswertes Relikt der Kolonialgeschichte. Vertreter von holländischen und französischen Immigranten-Vereinigungen forderten deshalb die Einführung einer europäischen Staatsbürgerschaft für alle in der EG Lebenden - gleich welcher Herkunft sie auch seien. Denkbar sei es, so die Rechtssoziologin Jacqueline Costa-Lascoux, Immigranten schon vor einer (nationalen) Einbürgerung die lokale und die europäische Staatsbürgerschaft zu geben.
Welche Konsequenzen die europäische Einigung unter bundesdeutschen Vorzeichen schon jetzt haben kann, zeigte ein Bericht aus Frankreich: So hat das noch nicht unterzeichnete „Schengener Abkommen“ dort schon dazu geführt, Asylbewerbern das Arbeitsrecht zu versagen.
Bernie Grant, schwarzer Parlamentsabgeordneter der Labour -Party, warf Gorbatschow vor, die schwarzen Befreiungsbewegungen im Stich zu lassen. „Wir Schwarzen haben von der sogenannten Demokratisierung in Osteuropa nichts zu erwarten. Die Festung Europa wird nur noch stärker werden“, meinte er und verwies auf den zunehmenden Rassismus gegen Farbige in Polen, der DDR und Rumänien. Historiker Bernard Ravenel sprach von Anzeichen, daß sich in der öffentlichen Meinung, etwa Italiens, an die Stelle des alten, östlichen Feindbildes, bereits ein neues gesetzt habe: das des islamischen Südens.
Das vom „Forum Egalite“ und dem „Forum International de Politique“ veranstaltete Colloquium zeigte auch, daß obwohl es „keine reinen Nationen in Europa mehr gibt“ - es durchaus national verschiedene Antirassismus-Bewegungen geben kann. So erklärte Frankreichs „S.O.S Racisme“ das britische Modell der „communities“ schlichtweg für gescheitert. Worauf all diejenigen protestierten, die sich mühsam Plätze in den Parlamenten und Gemeinderäten erkämpft hatten. Auch Antirassimus ist vielgestaltig. Glücklicherweise.
smo
Die Beiträge des Colloquiums werden in der Mai-Nummer der Zeitschrift 'Cosmopolitiques‘ komplett erscheinen.
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