: Zwei edle Maiden Harfe spielten
■ Das schottische Harfenduo „Sileas“ / Keltische Folklore ohne Wollsocken
Seit ich als kleiner Junge am Eier schneider gezupft habe, fasziniert mich die Harfe. Und in dieser Woche wurde meine Vorliebe gleich zweimal befriedigt: vor einigen Tagen spielte die Amerikanerin D. Henson-Conant Jazz auf der Konzertharfe, und am Montag gastierten die renommiertesten Harfenspielerinnen der Folkszene, Mary Macmaster und Patsy Seddon, in der Angestelltenkammer. So unterschiedlich die Musikrichtungen auch waren - die Parallelen zwischen den Frauen gingen weit darüber hinaus, daß sie sich alle drei in hautengen, schwarzen Hosen an ihr Instrument setzten. Auf beiden Konzerten herrschte eine ähnlich lockere, humorvolle Atmosphäre, die von der gelassenen, souveränen Bühnenpräsenz der Musikerinnen herrührte und von den witzigen Ansagen, in diesmal
erstaunlich gutemDeutsch.
Mary und Patsy gelang es durch ihre lakonische Präsentation, der Wollsockengemütlichkeit zu entgehen, nach der Folkkonzerte oft müffeln. Sie spielten zum größten Teil traditionelle Lieder aus Schottland oder Irland und arrangierten sie so modern, daß Museumsgeruch sich nicht ausbreiten konnte.
Obwohl die Clarsach oder keltische Harfe eines der ältesten schottischen Instrumente ist, scheint es wenige speziell für dieses Instrument komponierte Stücke zu geben, und so stellten Mary und Patsy die meisten Songs als Melodien für den Dudelsack oder als Geigenstücke vor, die sie für ihr Instrument umarrangiert haben. Zu dem vielsaitigen Klang ihrer drei unterschiedlichen Harfen, von denen eine mit Darm -, die andre mit Stahlsaiten bespannt
und die dritte elektronisch verstärkt ist, sangen die beiden mit hellen, klaren Stimmen einige Lieder in Gälisch - mit Texten von betrunkenen Dudelsackspielern, Schafen, Inseln und tragischer Liebe, die bei den Ansagen viel Heiterkeit auslösten.
Die beiden spielten virtuos, ohne aber viel davon herzumachen, und in der Zwangspause, als eine gerissene Saite ersetzt werden mußte, entwickelte sich ganz natürlich ein kleiner Work shop mit fachlichen Fragen aus dem Publikum - etwa danach, wie die Harfen gestimmt werden.
Das Konzert war ausverkauft, und das Publikum hörte erst auf zu klatschen, als Patsy nach der zweiten Zugabe drohte, sie könnten noch die ganze Nacht weiterspielen. Scheinbar haben auch andere als Kind mit dem Eierschneider gespielt.
Willy Taub
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