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„Wir entziehen hier kalt“

■ Neue Drogenstation in Sebaldsbrück / Keine lindernden Medikamente / Warteliste

Die 14 neuen Betten sind schon belegt, und die Warteliste für die neue „Drogen-Akut-Station“ in der Klinik Sebaldsbrück reicht schon jetzt bis in den Mai. Sebaldsbrück, das heißt in Junkie-Kreisen Horror, „kalter Entzug“ ohne lindernde Medikamente, sogar ohne jede Art von Ablenkung wie Sport, Bewegung, Lesen, Fernsehen. Was nach dem alten Therapiekonzept angesagt war: Konfrontation mit der Sucht, Erkenntnis des eigenen Elends. Da kam man allenfalls in Lebensgefahr hin, zur Strafe oder statt Knast, aber bestimmt nicht freiwillig zweimal. 1987 und noch im Sommer '88 wäre die Entzugsabteilung wegen Unterbelegung fast geschlossen worden - so konsequent wie paradox bei immer mehr Drogentoten (schon 17 in 1990) und angesichts der Verelendung der Süchtigen.

Besonders auf der neuen Station 3 soll nun mehr „akzeptierende“ Entzugsarbeit gemacht werden. Es gibt für die 12 Männer

und 12 Frauen Gesprächsgruppen über Aids, Sexualität, Therapien und Beziehungen, es gibt Bewegungsangebote, zwei Wannen für heiße Bäder und Entspannungs-Training. Aber: Medikamente, um die Süchtigen langsam und gerade ohne Horror herunterzudosieren, gibt es nur in Ausnahmefällen, von dem Ersatz-Opiat Methadon ganz zu schweigen. Rund 90 % der PatientInnen nehmen aber außer Heroin Schlaf-und Beruhigungsmittel, Alkohol, Cannabis - oft aus blanker Geldnot. Das führt auf Station zu massiven Entzugserscheinungen, zu Angstvorstellungen und körperlichen Randzuständen.

Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger eröffnete gestern nach erfolgreich durchgestandenem Finanzierungs-Tauziehen die Station, lobte den „niedrigschwelligen Ansatz“ und kündigte an, daß auch auf Sebaldsbrück künftig verstärkt der methadongestützte Entzug zukäme: „Ich begrüße die von Ihnen signa

lisierte Offenheit in dieser Frage außerordentlich.“

Wenn auch niederschwellig gemeint, wird das noch ein langer Weg sein. Man war sich einig: 14 Betten reichen nicht. 6 bis 8 Wochen Wartezeit für Therapie- oder Entgiftungswillige sind ein Unding. Und „da gab es schon böses Blut im Hause, als es draußen hieß, hier gäbe es Methadon-Entzug. Da wurde die Devise Methadon von der Behörde wieder stark zurückgenommen“, erklärte Oberärztin Dr. Wedel der taz. Stationsarzt Dr. Burkhard Schulz: „Wir entziehen kalt und dosieren nur im Einzelfall mal runter.“ Er führt die taz -Reporterin durch die Station und stellt ohne Beeinflussungsversuche den Kontakt mit den PatientInnen her (vgl. Gastkommentareoben). Seine Perspektive: „Medikamentenunterstützung wird langfristig kommen. Aber bei so wenig Betten ist das de facto ein höchstschwelliges Angebot, wir müssen die Leute ja abweisen.“ S.P

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