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Likud-Minister spielen weiterhin auf Zeitgewinn

Likud stellt Arbeiterpartei Vorabbedingungen / Peres spricht von De-Facto-Ablehnung der amerikanischen Kompromißvorschläge und droht mit Koalitionsaustritt  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Auch die zweite Marathon-Nachtsitzung des Likud hat keine definiten Antworten auf die amerikanischen Vorschläge zum Dialog zwischen Israelis und Palästinensern gebracht. Anstelle der notwendigen Klärung, auf die man in Washington nun schon seit geraumer Zeit wartet, um die israelisch -ägyptisch-amerikanische Außenministerkonferenz in Kairo einzuberufen, versucht der rechtskonservative Likud, den Spielball ins Feld der Arbeiterpartei zu bugsieren. Denn die Likud-Minister verlangen von der Arbeiterpartei nun einige Vorabgarantien als Grundvoraussetzung jeglicher Verhandlungen. Zum einen fordern sie, die Arbeiterpartei habe die Likud-Position mitzutragen, die eine Teilnahme von Palästinensern aus Ostjerusalem in Kairo definitiv ausschließt. Und zum anderen insistieren sie darauf, daß sich die Arbeiterpartei verplichte, zusammen mit dem Likud die Kairoer Konferenz sofort zu verlassen, falls die Palästinenserdelegation den Versuch mache, sich als PLO -Vertretung darzustellen. Darüber hinaus will der Likud der Arbeiterpartei auch noch das Versprechen abzwingen, während der Kairo-Konferenz - wenn es denn zu einer kommen sollte keinerlei Versuche zu unternehmen, eine alternative Koalitionsregierung mit kleineren Parteien und ohne Beteiligung des Likud zu bilden.

Der Führer der Arbeiterpartei und Vizepremier Peres bezeichnete diese Bedingungen schlicht als „Frechheit“ und erklärte, es handle sich hier de facto um eine Ablehnung der Kompromißvorschläge von US-Außenminister Baker. Peres führte weiter aus, daß zwar beide Parteien, Likud wie Arbeiterpartei, gleichermaßen gegen direkte Verhandlungen mit der PLO sind und darauf pochen, daß ein ungeteiltes Jerusalem die ewige Hauptstadt Israels bleibe. Im Unterschied zur Arbeiterpartei aber versuchen einzelne Likud -Minister, den Friedensprozeß grundsätzlich zu unterminieren, ja zu verhindern. Peres will nun baldmöglichst die maßgeblichen Gremien seiner Arbeiterpartei einberufen um, so droht er, aus der Koalitionsregierung mit dem Likud auszutreten und eine eigene Regierung mit kleinen Parteien zu bilden.

Eine solche Entscheidung allerdings will Verteidigungsminister Rabin von der Arbeiterpartei, der eine große Koalition mit dem Likud einer alternativen Regierung unter Peres vorzieht, nicht mittragen. Er fordert, eine Woche abzuwarten, um dem Likud die nötige Zeit für eine positive Antwort an die USA zu geben. Dieses Verhalten hat zwar durchaus sachlich-politische Gründe, aber eben nicht nur solche. Denn zwischen Peres und Rabin bestehen alte und sorgfältig gehegte Rivalitäten. Rabin fühlt sich durchaus wohl in einer Allianz mit Schamir, denn in einer kleinen Koalition mit einem Ministerpräsidenten Peres würde er endgültig nur die zweite Geige spielen. Auch die Arbeiterpartei ist somit keineswegs frei von persönlichen Animositäten, so daß oftmals die Grenze zwischen persönlichen und politischen Entscheidungen kaum abzustecken ist.

Derweil schießen die Zahlen, die die Einwanderung nach Israel betreffen, gewaltig ins Kraut. Allein für das Jahr 1990 gibt es wilde Spekulationen, die von bis zu 250.000 Neubürgern sprechen. Für dieses Jahrzehnt werden gar schon weit mehr als 750.000 Neueinwanderer - vor allem aus der Sowjetunion - für möglich gehalten. In Israel reagiert man zunehmend empfindlicher auf dieses Thema. Nachdem seit Monaten die Einwanderung von Sowjet-Juden Hauptthema aller israelischen Zeitungen und Magazine war, wurde am vergangenen Freitag die Einwanderungsberichterstattung mit Zensurmaßnahmen belegt. Sevulun Hammer, Minister für religiöse Fragen, will israelischen Arabern, die sich in einer Petition gegen weitere Einwanderungen ausgesprochen haben, gar die Staatsbürgerschaft entziehen lassen.

Auch die arabische Welt reagiert zunehmend sensibler auf die Masseneinwanderung nach Israel. Immer wieder wird die aktuelle Situation mit der „Katastrophe“ von 1948 - dem Gründungsjahr des Staates Israel - verglichen. Die Außenministerkonferenz der Arabischen Liga erklärte das Einwanderungsthema zum Hauptgegenstand künftiger Treffen. Und der jordanische Monarch Hussein, der sich gegenwärtig zu Gesprächen in Paris aufhält, will - neben der Erörterung der jordanischen Wirtschafts- und Finanzprobleme - ebenfalls die Einwanderungswelle sowjetischer Juden in den Vordergrund rücken.

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