: „Beitritt ohne Bedingungen macht die CDU nicht mit“
■ Interview mit Lothar de Maiziere, Vorsitzender der CDU in der DDR, zum Wahlkampf, den sozialen Folgen der Wiedervereinigung, den Differenzen in der Allianz für Deutschland und zur Debatte um die polnische Westgrenze
taz: Die Parteien der „Allianz für Deutschland“ CDU, Demokratischer Aufbruch und Deutsche Soziale Union (DSU) sind sich nicht grün. Speziell die DSU spart nicht mit Angriffen gegenüber ihrer Partei. Warum wehren Sie sich nicht?
Lothar de Maiziere: Es hat darüber eine Aussprache gegeben in der letzten Woche in Bonn. Dort wurden Zusicherungen gemacht von seiten der DSU, dies in Zukunft zu lassen. Wir wollten die Sache nicht noch schlimmer machen. Die eigentlich belastenden Aussagen machten führende Politiker der DSU am Aschermittwoch - wahrscheinlich ist es nicht gut, wenn man nach mehreren Bier noch politische Erklärungen abgibt.
Wenn die Parteien innerhalb der Allianz Wahlkampf gegeneinander oder nebeneinanderher machen, was bedeutet Ihnen die Allianz?
Das Bündnis ist geschlossen worden, um für den Fall einer rechnerischen Mehrheit nach der Wahl ein Regierungsbündnis zu bilden...
...also als Koalitionsaussage?
Ja. Wir wollten damals noch eine Listenverbindung. Aber das war zeitlich nicht mehr zu organisieren. Die Entwicklung in der Zwischenzeit hat allerdings gezeigt, daß sich die DSU näher an der bundesdeutschen CSU sieht als dies anfänglich deutlich wurde. Da wird jetzt etwas bei uns ausgetragen, was eigentlich eine bundesrepublikanische Auseinandersetzung ist. Der Konflikt zwischen CDU und CSU ist ja so alt wie es diese beiden Parteien gibt. Und die Frage, ob die CSU sich über Bayern hinaus entwickeln kann, stand ja immer im Raum. Und das wird jetzt bei uns probiert.
Gibt es inhaltliche Differenzen in der Politik von DSU und CDU?
In den wesentlichen Aussagen, Wirtschafts- und Währungsunion, Einheit Deutschlands, sozialer Rechtsstaat, gibt es keine Differenzen. Allerdings beschreibt sich das bei solchen Überschriften leicht. Ich weiß nicht, ob wir im Detaill gemeinsame Auffassungen entwickeln könnten.
Mit welchen Streitpunkten rechnen Sie denn bei einem Regierungsbündnisses der Allianzparteien?
Problematisch wird es werden bei der Beschreibung der notwendigen Übergangs- und Harmonisierungsbestimmungen auf dem Weg zur deutschen Einheit. Die Fragen der Eigentumsordnung, der sozialen Situation, der Rechtsvereinheitlichung. Wir brauchen Schutzbestimmung. Auch um zu vermeiden, daß im Zuge einer zu schnellen Einigung die hier lebenden Menschen die Benachteiligten eines dann viel rauher gewordenen Marktes würden.
Wie stellt sich denn der CDU-Vorsitzende den Zeitplan zur Einheit vor? Sie sagen - und da stellen Sie sich gegen die CSU und auch gegen den Kanzler -, nicht so schnell.
Der Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes ist eine Möglichkeit, weil ich befürchte, daß eine Diskussion über eine neue Verfassung zu lange dauern würde. Aber ich bin nur dafür, wenn die Rahmenbedingungen des Beitritts klar ausgehandelt sind. Einen bedingungslosen Beitritt wird es mit der CDU nicht geben. Das können wir unseren Menschen nicht antun.
Das würden Sie auch in einer Koalition nicht mitmachen?
Nein, das würde ich nicht mitmachen. Ich glaube auch, daß die Übernahme des Grundgesetzes nicht die Übernahme des gesamten Rechtssystems bedeutet. Außerdem wird der Beitritt nur sinnvoll, wenn sich vorher die Länder rekonstruiert haben.
In der BRD wird, ausgelöst vom Bundeskanzler, seit Wochen heftig über die polnische Westgrenze und jetzt auch noch über die Forderung nach Reparationsverzicht der Polen gegenüber Deutschland debattiert. Keine Partei in der DDR ist in dieser Frage zweideutig.
Wir haben uns da völlig eindeutig geäußert.
Haben Sie da nicht ein bißchen Einfluß auf Bundeskanzler Kohl?
Ich werde mit ihm reden und werde ihn fragen, ob er uns tatsächlich in dieser Weise schaden will, wie er es mit dieser Diskussion tut. Wobei ich glaube, diese Debatte wurde ihm aufgezwungen.
Von wem?
Die Grenzfrage ist ein Thema, das zwischen der CDU und der SPD seit Jahren geführt wird. Wer sollte ein Interesse an der Debatte haben, wenn nicht diejenigen, die die Allianz in eine bestimmte Nähe rücken wollen. Die Diskussion ist für uns nicht hilfreich, auch nicht für den augenblicklichen Prozeß. Von uns wurde die Diskussion nicht initiiert, aber jetzt wird mit diesem Thema unser Wahlkampf bestritten. Und da steckt eine Absicht dahinter.
Welche?
Uns ins rechte Aus zu drängen. Wir haben heute wieder ein gefälschtes diffamierendes Flugblatt bekommen. Und erst kürzlich eines, das die SPD-Hessen in Thüringen in Umlauf gebracht hat. Das hat die SPD auch uns gegenüber zugegeben.
Sie werfen der PDS vor, sie würde Wahlkampf machen mit den sozialen Ängsten vor der Einheit. Sie aber verschweigen alle Probleme, die auf die Leute zukommen werden.
Das stimmt nicht. Wir sagen den Leuten, daß es zum Teil erhebliche Umstellungsprobleme in der Wirtschaft geben kann. Aber ich gehe davon aus, daß die wirtschaftliche Situation der der frühen 50er Jahre nicht unähnlich ist. Das waren in der BRD die Zeiten der gesicherten Vollbeschäftigung. Da hat man sogar noch Gastarbeiter ins Land geholt. Wir werden vielleicht kurzzeitig Arbeitslosigkeit haben, aber wir werden Wachstumsraten von acht bis zehn Prozent haben. Die Arbeit liegt bei uns auf der Straße!
Interview: Brigitte Fehrle
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