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Demnächst in der Schauburg: „Söhne“ von A. Rockwell

■ Liebenswürdiges Familienchaos

Es gibt viele Kriterien, einen Film zu kritisieren, diese Weisheit ist nicht neu. Aber was ist von einem Kinoprodukt zu halten, dessen wichtigste Nebenrolle einen Preis als bester Darsteller erhalten hat, aber in knapp neunzig Minuten kaum ein Wort sagt? Auf den ersten Blick könnte die Antwort lauten, da muß etwas dran sein.

Ist es auch. Sam Fuller, 78, eigentlich Regisseur (Vierzig Gewehre, Schock-Korridor), füllt diese Rolle zigarrerauchend und im Rollstuhl sitzend aus und dabei sind seine drei Filmsöhne viel wichtiger. Schließlich heißt das Werk des amerikanischen Independent-Filmers Alexandre Rockwell Söhne. Die drei Brüder Fred (Robert Miranda), Ritchie (D.B. Sweeney) und Mikey (Willam Forsyth) haben augenscheinlich nicht viel gemeinsam. Fred, Familienvater, führt ein Geschäft und versucht lautstark und krampfhaft, die Sippe zu ordnen. Ritchie, der jüngste, arbeitet für den großen Bruder. Er müht sich als Wasserfilter-Verkäufer in New Jersey ab, allerdings mit mäßigem Erfolg. Und der bärtige und langmähnige Mikey ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er hockt in Freds Keller, meditiert und philosophiert und geht gegen Bezahlung mit Freds Kindern spazieren. Das klingt nicht gerade spannend, weist auf nichts hin, es ist halt wie im richtigen Leben.

Aber ganz so leicht macht es uns Rockwell nicht. Die etwas chaotische Liebenswürdigkeit der drei hat einen gemeinsamen Nenner. Der Vater vegetiert nach einem Schlaganfall gelähmt und sprachlos in einem Krankenhaus dahin. Ihm gehört ihre ganze Liebe. Ganz unprätentiös inszeniert Regisseur Rockwell dieses Gefühl, es ist eine Selbstverständlichkeit wie Essen und Schlafen. So wundert es auch nicht, daß der Träumer Mikey den Vater kurzerhand aus der Aufbewahrungsanstalt entführt, nachdem er erfahren hat, daß Daddy im 2. Weltkrieg eine intensive Romanze mit einer Französin hatte.

Was liegt also näher, als den alten Mann samt Rollstuhl, Zigarren und Knittergesicht ins Flugzeug zu setzen? Ab nach Frankreich, schließlich gibt es auch für die Söhne eine Menge zu entdecken. Auf der abenteuerlichen Suche nach der Ex-Geliebten verstricken sich die drei im Araber-Viertel von Paris, Ritchie verliebt sich in einen Transvestiten und Fred poltert englisch redend durch die „von uns befreite“ alte Welt.

Da kann auch der faltige Vater nicht an sich halten und holt zu folgendem Wortschwall aus: „Wann hast Du das letzte Mal gebumst?“ Der völlig überraschte Ritchie fragt:„Ist das alles, was Dir einfällt?“ „Was denn sonst, Junge?“ Das finale Aufflackern längst vergessen geglaubter Gefühle rührt an, ohne kitschig zu sein. Wir gönnen es dem alten Mann und freuen uns mit den Söhnen.

Sons ist keine aalglatte Geschichte, sondern der holprige Versuch, ein wenig Freundlichkeit und Selbstlosigkeit auf die Leinwand zu bringen. Das ist Alexandre Rockwell gelungen. J.F.Sebastia

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