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GAL-Frauen: Traum oder Trauma?

■ Die Frauenfraktion in der Hamburger Bürgerschaft hat nach draußen mehr bewirkt als innerhalb der GAL

Als 1986 die erste reine Frauenliste der Grün-Alternativen Liste (GAL) ins Hamburger Rathaus einzog, machte sich allerorts Aufbruchstimmung breit. InnerGALisch führte der Beschluß für die Frauenliste jedoch zu gravierenden Konflikten. Die Idee der Frechen Frauen, jenseits der von GAL-Männern dominierten Blockstrukturen (Grüne einerseits, Alternative andrerseits) ein feministisches Projekt zu etablieren, wurde jedoch bereits in den Anfängen gekippt. Zwar sagte die Mitglieder-Versammlung (MV) damals prinzipiell ja zur Frauenliste. Der nächste Antrag seitens der MV forderte allerdings, das strömungs-unabhängige Konzept der Frechen Frauen abzulehnen.

„Soweit man einen Beschluß kastrieren kann, war es damit geschehen“, sagt Margret Hauch, die heute in der Bürgerschaft sitzt. Einen Gegenantrag stellten die Frauen damals übrigens nicht. „Das Konzept war ja noch nicht

entwickelt“, rechtfertigt sie noch heute diese Auslassung.

Frau-sein als Programm - einer konkreten Auseinandersetzung darüber wichen die GAL-Frauen so aus. Der ehemaligen Bürgerschaftsabgeordneten Erika Romberg reichen derartige Aussagen allerdings damals wie heute nicht: „Statements, wie die von Margret Hauch klingen wie aus der Waldorfschule, da können sich die Kinder dann entsprechend ihren Bedürfnissen entfalten.“ Der Mangel an „männlichem“ Durchsetzungswillen scheint so von Anfang an eine Frauenfraktion verhindert zu haben, die gemeinsam feministische Politik hätte durchsetzen können.

Die Frauenliste, das war ein Sammelsurium verschiedener Strömungen plus ein bißchen Freche-Frauen-Feminismus. So ist im Vorwort des Frauenprogramms der GAL zu lesen: Die GAL -Frauenfraktion will auch eine Lobby für Fraueninteressen

sein.“ Fraueninteressen besaßen also keinen Vorrang, sondern waren per Definition strömungspolitischen Interessen untergeordnet. „Mit Ursula Jelpke war in der ersten Frauenliste anschließend gar eine Strömungs-Vertreterin, die sich zuvor ausdrücklich gegen die Liste ausgesprochen hatte“, ergänzt Margret Hauch. „Die sogenannte Kandidatinnen -Kür damals lief ja so: Wer da nicht wußte, welche Spruchblase auf einer MV zu bringen ist, wurde kunstvoll demagogisch auseinandergenommen.“

Die ganz andere Frauenpolitik scheint im wesentlichen daraus bestanden zu haben, sich im entscheidenden Moment zurückzuziehen. „Es ist so, daß Frauen viel stärker einen Konsens suchen, bevor sie um Mehrheiten kämpfen“, beantwortet Hauch die Frage, worin denn ihrer Meinung nach das andere ihrer Politik bestanden habe. Wer sich allerdings die Geschichte der Hamburger Frauen

liste ansieht, die Auseinander setzungen und Anfeindungen eingeschlossen, kann von Konsenssuche als Prämisse kaum sprechen. „Natürlich können auch Frauen untereinander ganz erbittert konkurrieren“, sagt Erika Romberg. „Das läuft aber an dem Punkt ins Leere, wo ich nicht um den Chefsessel konkurriere, weil ich gar keinen Chef haben will. Das Problem ist, daß es innerhalb einer jeden Frauengruppe immer eine Crew gibt, die die männlichen Werte einbringt. Unsere eigenen weiblichen Handlungsmöglichkeiten sind doch bestenfalls rudimentär entwickelt.“

Da hat Margret Hauch leider recht, ob sich so Politik machen läßt, scheint fraglich. Eindeutig ist: Fünf Jahre nach der ersten Frauenliste ist die Signalwirkung außerhalb der GAL sichtbarer denn je; etablierte Parteien sind gezwungen, sich mit der Frage der Quotierung auseinanderzusetzen, frauenfeindliche Realitäten werden in der Öffentlichkeit breit diskutiert. InnerGALisch ist die Frauenliste jedoch hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Entgegen der ursprünglichen Absicht, basisbezogen, das heißt offen zu sein, zogen sie sich häufig auf ihr Frau-sein zurück, fällten einsame Entscheidungen. Der Ausstieg der Frauen aus der Frauenfraktion vergangene Woche ist in diesem Zusammenhang symptomatisch. „Die deutschlandpolitische Debatte war nur der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Da wurde eine strömungspolitische Kiste durchgezogen“, erklärt Margret Hauch. „Der Austritt der Frauen, das ist doch Wagenburg-Politik“, kontert Erika Romberg.

Zu sehr vermischen sich grün-alternative Standards mit frauenspezifischen Verhaltensweisen. Seltsam. Vielleicht werden die aktuellen Ereignisse ein Zeichen setzen. Entweder für eine Rückbesinnung inklusive Neuanfang. Oder für den definitiven Zusammenbruch. Christa Thele

Elisabeth Rüther

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