: Wild-West-Stiftung ./. Betriebsrat
■ Die Hans-Wendt-Stiftung mit der Sozialsenatorin im Vorstand fast täglich vorm Arbeitsgericht
Wäre es nicht langsam an der Zeit, daß das Bremer Arbeitsgericht einen Wanderpokal stiftet: Für den Betrieb, der dem Gericht pro Kopf der Beschäftigten die meisten und hanebüchendsten Verfahren beschert? Die erste Pokalanwärterin jedenfalls steht schon fest: Die Bremer Hans -Wendt-Stiftung mit der Sozialsenatorin im Vorstand und den insgesamt 130 Beschäftigten im Betrieb. Nahezu täglich ist der Hausanwalt des Betriebes, Gerhard Lohfeld, im Gericht unterwegs. So auch gestern: Da klagte Betriebsrat Rainer Lütkehoff gegen seine Kündigung.
Zur Zeit laufen sogar gleich zwei Kündigungsprozesse „Lütkehoff ./. Hans-Wendt“ parallel. Die Vorgeschichte: Rainer Lütkehoff hatte sich von 1985-89 erfolgreich von der ABM-Kraft zum Festangestellten einklagen können, denn die Hans-Wendt-Stiftung hatte Formfehler begangen. Zudem hatte Stiftungs-Anwalt Lohfeld einen entscheidenden Gerichtstermin verschlurt, sodaß der Anwalt theoretisch haftbar ist. Die Stiftung und ihr Anwalt waren schlechte VerliererInnen. Lütkehoff konnte sich nicht lange an der „Entfristung“ seines Arbeitsvertrages erfreuen: Die Leitung der Hans-Wendt -Stiftung stellte ihm eine außerordentliche Kündigung zu. Das Arbeitsgericht gab jedoch Rainer Lütkehoff recht. Die Begründung leuchtet ein: Einem Betriebsrat darf man nur bei einer Ehrverletzung oder sonstigen schweren Verfehlungen außerordentlich kündigen. Die Stiftung ging in die Berufung und startete parallel einen zweiten Versuch: Sie stellte dem Betriebsrat nun eine ordentliche Kündigung zu. Gestern versuchte der Stiftungs-Anwalt mit den hanebüchensten Argumenten, die ordentliche Kündigung des Betriebsrates Lütkehoff vor Gericht zu begründen. Doch auch dieser Versuch scheint zu mißlingen. Gestern in der Verhandlung jedenfalls signalisierte Arbeitsrichter Adolf Claussen: „Wir neigen dazu, der Kündigungsschutz
klage stattzugeben.“
Drei Gründe hatte der Anwalt ins Feld geführt: Erstens: Die Werkstatt, in der der Betriebsrat als Sozialpädagoge tätig gewesen sei, sei als eigenständiger Betriebsteil stillgelegt worden. Zweitens: Da Lütkehoff als Sozialpädagoge unqualifiziert sei, könne man ihn nicht intern versetzen. Und drittens: Die Hans-Wendt-Stiftung, durch Unterschlagungen in die Schlagzeilen gekommen, habe eine finanzielle Unterdeckung von 2,5 Millionen Mark zu beklagen, könne also Herrn Lütkehoff
leider nicht bezahlen. „Warum muß gerade ein Betriebsrat daran glauben? “, fragte Richter Adolf Claussen den Anwalt. Und Rainer Lütkehoff holte zwei Stellenanzeigen aus dem Weser-Kurier hervor: Vor einer Woche noch hatte die Stiftung zwei Stellen für Sozialpädagogen öffentlich ausgeschrieben. Schließlich merkte der Anwalt, daß er mit seinem „Pleite„ -Argument nicht weiterkam. Auch das Qualifikations-Argument stach nicht: Konnte Lütkehoff seine Eignung doch beweisen. Da half es der Stiftung
auch nicht, daß sie zwei Gegengutachten von MitarbeiterInnen der Sozialbehörde (Dr. Christ/Stoevesandt) vorlegen konnte. Der Richter wies freundlich aber bestimmt auf die enge personelle Verquickung von Sozialbehörde und Stiftung hin. Die Arbeitsgerichte haben genug zu tun. Die Stiftung will in die 2. Instanz gehen. Außerdem ist heute das nächste Verfahren angesetzt: Die Stiftung will 13 Hauswirtschaftskräfte ohne Sozialplan auf die Straße setzen.
Barbara Debus
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