Keine Sozialromantik

Eduard Lintner, deutschlandpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, zum De-Maiziere-Interview in der taz  ■ I N T E R V I E W

taz: Der Prozeß der Vereinigung beider deutscher Staaten, so muß man de Maiziere verstehen, geht ihm offenbar zu schnell?

Eduard Lintner: Die Kritik ist nicht berechtigt, denn auch der Artikel 23 erlaubt noch einen Gestaltungsspielraum, der genutzt werden kann im Sinne der Bedenken des Herrn de Maiziere. Er muß sich natürlich auch darüber im klaren sein, daß die Alternative, der Artikel 146, ein auch zeitlich sehr aufwendiges Verfahren ist, das womöglich von seinen Wählern nicht akzeptiert wird.

Steckt hinter de Maizieres Worten ein Stimmungsumschwung in der DDR-Bevölkerung?

Ich sehe den Stimmungsumschwung noch nicht. Die Forderung nach der schnellstmöglichen Wiedervereinigung kommt ja gerade aus der DDR.

Dann halten sie de Maizieres Befürchtungen für unbegründet?

Ich würde nicht sagen, völlig unbegründet. Wir müssen halt gemeinsam unsere Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Aber wir sind ja Herr des Geschehens und nicht nur Getriebene und können die Bedenken zerstreuen.

Herr des Geschehens - das gilt auch für die DDR?

Sicher, ich meine beide Partner.

De Maiziere hat geäußert, daß die Übernahme des Grundgesetzes nicht die Übernahme des gesamten Rechtssystems der Bundesrepublik bedeuten könne. Das sind doch aber für die CDU Essentials.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß er damit Grundlegendes meint. Ich jedenfalls habe in der DDR-Wirklichkeit noch nichts entdeckt, wo die Regelungen im Grundgesetz nicht besser oder realistischer oder tragfähiger wären. Was aber jetzt beschlossen wurde von der Volkskammer, Recht auf Arbeit und ähnliches, das wäre natürlich Sozialromantik, und die gehört nicht in ein Grundgesetz.

De Maiziere findet außerdem die Diskussion um die polnische Westgrenze sehr schädlich für den DDR-Wahlkampf.

Ich würde meinen, daß die Reaktion dieser Wähler nicht viel anders sein wird als in der Bundesrepublik. Und da hat die Forderung des Bundeskanzlers, daß bei einem Vertrag auch die Frage der Reparationen endgültig besiegelt werden muß, sehr viel Verständnis gefunden. Dies ist auch bei den Wählern in der DDR sehr viel besser weggekommen als bei der veröffentlichten Meinung.

Wollen Sie damit sagen, daß de Maiziere kein rechtes Empfinden für die Stimmung in der DDR hat?

Also jetzt gehen Sie zu weit. Er ist ja immerhin sehr nahe dran. Verläßlich kann man die Reaktionen auf diesen Vorschlag aber nicht jetzt an der heißen Debatte messen, sondern erst mit einem gewissen Abstand. Und da, glaube ich, setzt sich die Überlegung von Helmut Kohl weitgehend durch.

Interview: Gerd Nowakowski