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Die Kampfhähne werden müde

■ SPD- und AL-Abgeordnete schubsen Senat an den Verhandlungstisch / Gewerkschaften präsentieren ihren Kompromißvorschlag

Nach rund zwei Monaten Streik - haben gestern beide Konfliktparteien ihre Stühle ein gutes Stück aufeinanderzugerückt: die Gewerkschaften durch einen Kompromißvorschlag in Sachen Tarifvertrag, der Senat durch einen kräftigen Schubs von SPD-und AL-Fraktion. „Es wird verhandelt“, erklärten auf Anfrage sowohl ein Sprecher des Innensenators als auch der GEW-Vorsitzende, Erhard Laube. „Die Termine stehen noch nicht fest.“

Mit den Stimmen von SPD und AL hatte das Abgeordnetenhaus zuvor den Senat aufgefordert, „erneut in Verhandlungen mit den Gewerkschaften ÖTV und GEW einzutreten. Ziel ist es, so der Antrag im Wortlaut, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erreichen „und das Verhandlungsergebnis für beide Seiten zufriedenstellend abzusichern“.

Man sei zum einen froh, sich mit der AL-Fraktion geeinigt, zum anderen „Bewegung in die Sache gebracht zu haben“, erklärte der Sprecher der Sozialdemokraten, Stadtmüller. Wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, zeigte sich der regierende Bürgermeister Momper über die neue Beweglichkeit seiner Fraktion wenig begeistert. Der Antrag der AL-Fraktion, gemäß des Beschlusses des letzten Mitgliedervollversammlung den Senat zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufzufordern, wurde zurückgezogen.

Gestern vormittag hatten GEW und ÖTV ihren angekündigten Kompromißvorschlag präsentiert. Danach sind die Gewerkschaften bereit, auf die tarifliche Festlegung eines Personalschlüssels und der Gruppengröße zu verzichten. Beide Punkte, so der Berliner ÖTV-Vorsitzende Kurt Lange, könnten in einer Anlage festgelegt werden. Tariflich vereinbart werden müßten jedoch die Vor- und Nachbereitungszeiten sowie die Fort- und Weiterbildung für die ErzieherInnen. Vor allem die tarifliche Festlegung eines Personalschlüssels hatte der Senat als Eingriff in sein Budgetrecht abgelehnt. Daß auch der gestern vorgestellte Kompromiß Auswirkungen auf den Personalschlüssel hätte, wenn er denn verwirklicht würde, liegt für den Vorsitzenden der GEW, Laube, auf der Hand: „Ansonsten würde sich die pädagogische Betreuung der Kinder verschlechtern.“

Ob die streikende ErzieherInnenbasis mit der Kompromißbereitschaft ihrer Gewerkschaftsvertreter einverstanden ist, wird sich spätestens bei der obligatorischen Dienstagsdemonstration vor dem Rathaus zeigen. Da die Mobilisierung anderer, eher männlich dominierter Berufsgruppen innerhalb der ÖTV für Solidaritätsaktionen offenbar nicht möglich ist, haben für den kommenden Dienstag nach Angaben der GEW 800 Kreuzberger LehrerInnen angekündigt, die ErzieherInnen und gestreßten Eltern vor dem Rathaus zu unterstützen. Auch die ErzieherInnen in den KiTas des Deutschen Roten Kreuzes haben sich zu Streiks entschlossen. Kirchlicher Zuspruch kam gestern zudem vom Amt für Kindertagesstättenarbeit der evangelischen Kirche. „Wir halten einen Tarifvertrag für unabdingbar“, hieß es in einem offenen Brief.

anb

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